Europas Zukunft entscheidet sich in der Ukraine

Von Vitali und Wladimir Klitschko

Vor zwei Jahren, am frühen Morgen des 24. Februar 2022, haben russische Truppen die Ukraine überfallen. Seitdem hat sich unser aller Leben dramatisch verändert. Tausende Ukrainerinnen und Ukrainer wurden getötet, verletzt, geschändet, Kinder nach Russland verschleppt.
Tag und Nacht gibt es Bombenalarm, an vielen Stellen ist das Land verwüstet. Aber wir halten dem stand. Wir kämpfen. Nicht nur für uns, für unser Volk, unsere Identität, für unser Land, sondern auch für ein freies, demokratisches Europa. Wir verteidigen auch unsere westlichen Nachbarn, die auch auf der Liste von Putins Einverleibungsträumen stehen. Denn wenn die Ukraine fällt, wird Putin nicht mit seinem barbarischen Eroberungskrieg aufhören.

Ganz offen beschwört er eine umfassende soziale und wirtschaftliche Mobilisierung Russlands herauf und droht mit Angriffen auf osteuropäische Länder. Viele Jahre lang haben wir immer wieder vor einem massiven Angriff Putins auf die Ukraine gewarnt, aber das wollte niemand hören. Stattdessen wurden weiter Geschäfte mit dem russischen Diktator gemacht, die ihm seine Waffen und seine Armee finanziert haben.

Vor zehn Jahren, im Januar und Februar 2014, haben hunderttausende Menschen auf dem Maidan mit Mut und Überzeugung für das EU-Abkommen und gegen die korrupte, russlandfreundliche Politik des damaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch demonstriert. In diesem klirrend kalten Winter haben viele EU-Politiker zu uns gesagt: Diese Ukrainer stehen mehr für die Werte der EU, sie stehen mehr für die europäische Idee, als es viele Menschen innerhalb der EU mittlerweile tun. Kurz darauf hat Putin die Krim überfallen. Seitdem herrscht in der Ukraine ein blutiger Krieg, dessen Ziel es ist, die Ukraine, ihre Menschen und Identität vollkommen auszulöschen.

Hätte die Ukraine vor 30 Jahren nicht das Budapester Memorandum unterschrieben und sich verpflichtet, alle Atom- und andere schweren Waffen an Russland zu übergeben, wären wir jetzt nicht in dieser verzweifelten Lage. Aber 1994 hat die Ukraine den USA, Großbritannien und Russland vertraut, die Unabhängigkeit und die existierenden Grenzen der Ukraine und ihre territoriale Integrität anzuerkennen und zu respektieren. Die Ukraine besaß damals das drittgrößte Atomarsenal der Welt. Jetzt bedroht Putin mit genau diesen Atomwaffen nicht nur die Ukraine, sondern ganz Europa.

Viele Menschen in westlichen Ländern glauben das nicht. Der Westen solle aufhören, die Ukraine mit Waffen zu beliefern, dann herrsche Frieden, hören wir immer wieder. Aber das ist ein Irrtum.

Dieser Krieg ist nicht nur unser Krieg. Er ist eine Bedrohung für alle demokratischen Länder in Europa. Ein Sieg Putins in der Ukraine würde eine Flüchtlingswelle enormen Ausmaßes und eine vollkommene Destabilisierung Europas verursachen.
Deshalb brauchen wir weiter die Unterstützung unserer westlichen Partner. Wir brauchen den Luft-Boden-Marschflugkörper Taurus, wir brauchen Munition. Europas Zukunft entscheidet sich in der Ukraine. Wenn wir Putin nicht gemeinsam stoppen, wird sich morgen kein europäisches Land mehr sicher fühlen können.

Vitali Klitschko wurde am 12. September 2014 als Vertreter aller demokratischen Bewegungen in der Ukraine mit dem M100 Media Award ausgezeichnet.
Wladimir Klitschko hat am 15. September 2022 den M100 Media Award stellvertretend für das ukrainische Volk entgegengenommen.

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