Zusammenfassung „How to run a journalism start-up?“

2. Juni 2023. Am Donnerstag, dem 25. Mai, hat M100 mit drei Gründern und einer Chefredakteurin von drei Medien-Start-ups eine Online-Diskussion zum Thema ie Online-Fragestunde „How to run a journalism Start-up?“ veranstaltet.
Speaker waren:
Julius O. Fintelmann, Mitgründer von „The European Correspondent„, das erst Ende November 2022 gestartet wurde;
Florian Vitello, Ko-Gründer und Viktoria Franke, Chefredakteurin vom „Good News Magazin„, das der täglichen Flut an schlechten und bedrohlichen Nachrichten entgegenwirken will;
Matthias Bannert, Mitbegründer und Geschäftsführer des Online-Magazins „Medieninsider„.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Sabine Sasse, Head of Programme des M100 Sanssouci Colloquiums.

GOOD NEWS MAGAZIN
Florian Vitello hat das Good News Magazin zusammen mit Philippe Kramer am 22. November 2020 gegründet. Grund dafür sind die „24/7-Terror- und Tragödienhetze und die daraus resultierenden Nachrichtenmüdigkeit des Publikums“  sagte er. „Wann immer wir die Nachrichten einschalten, sind sie sehr, sehr negativ und geben uns keine Kraft. Schlechte Nachrichten machen uns krank und erzeugen Stress, Angst und Depressionen.“

Das Team besteht aus den drei Gründern und 40 Freiwilligen.
Das Good News Magazin ist in gedruckter und digitaler Form erhältlich, die Website hat inzwischen 120.000 Nutzer pro Monat.
Das Team betreibt auch einen Podcast namens „Weltaufgang“ mit einer sehr guten Konversionsrate: 77 % der Hörer abonnieren den Podcast.
Instagram: 116k, Facebook: 68k Follower
Die Reichweite ist mit teilweise über 4 Mio. Menschen sehr hoch; nicht nur ihre Zielgruppe und Follower, sondern auch eine Vielzahl von Konsumenten lesen ihre Nachrichten.
Mit ihren Abonnements haben sie seit November 2020 392 Bäume gepflanzt und 2.507 kg Plastik aus Flüssen gefischt.
Die Zahl der Abonnenten wächst, aber: Sie haben derzeit nur etwa 1.000 Abonnenten.

Geschäfts- und Finanzierungsmodell:
Abo-Modell:
Digital 4,40 €/Monat = 52,80 / Jahr
Premium-Version = gedrucktes Magazin: 6,60 €/Monat = 79,20 € /Jahr
Unterstützende Mitgliedschaft: 12,00 € / Monat. Bei jährlicher Zahlung spart der Förderer 45 % = 144 € / Jahr

B2B:

1. Gesponserte Inhalte auf Websites und in sozialen Medien
2. Kanal mit Markeninhalten
3. Werbeanzeigen
4. Podcast-Anzeigen
Sie arbeiten mit kleinen/lokalen Unternehmen zusammen. Hierfür ist ein nachhaltiges Produkt oder eine soziale Auswirkung, die ihre Zielgruppe teilt, entscheidend. Sie wählen die Personen/Unternehmen, mit denen sie zusammenarbeiten, sorgfältig aus. Beispiel für eine B2B-Partnerschaft: ReHats, eine vierköpfige Folk-Pop-Band aus Freiburg im Breisgau.
In der aktuellen Marktsituation sei der USP wichtiger denn je, sagt Florian Vitello: Das Good News Magazin ist nicht die einzige Plattform, die positive Nachrichten produziert, die Konkurrenz wird immer stärker. Das Team müsse sich Gedanken über die Zukunft machen, wo es sich positionieren und innovativ bleiben kann.

Die nächsten Schritte vom Good News Magazin:
USP + Innovation: Positive gewohnheitsbildende Medien & Planung einer Studie über die Wirkung von Good News;
Reputation: Sie haben ein Buch mit dem Titel „Good News“ geschrieben: „Wie wir lernen, uns gegen die Flut schlechter Nachrichten zu wehren“, um den Menschen zu zeigen, dass sie nicht nur guten Gefühlsinhalt, sondern auch seriösen Journalismus machen;
Neue Finanzierungsmodelle: durch Kooperation + durch trial and error;
Langfristiges Ziel: in den Mainstream! (als Teil des konstruktiven Journalismus)

Personal: Die meisten der 40 Freiwilligen sind noch in der Ausbildung und machen beim Good News Magazin ihre ersten journalistischen Schritte. Ziel ist es, die meisten von ihnen zu halten und sie zu motivieren. Und: täglich mindestens einen journalistischen, gut recherchierten Artikel zu veröffentlichen.
Florian sagte: „Man kann den Leuten nicht irgendwelche guten Nachrichten präsentieren und sie dann damit allein lassen, wir müssen weiter gehen. Wir wählen die guten Nachrichten aus und fragen uns dann, was das für die großen Fragen des Nachrichtenwerts bedeutet.“

Nach einer im letzten Jahr veröffentlichten Studie des Reuters Instituts konsumieren zwar 49 % der Generation Z Nachrichten – das bedeutet aber auch, dass 51 keine konsumieren. „Das ist sehr bedrohlich für uns und alle unsere Kollegen“, so Florian Vitello. „Das Good News Magazin möchte diese Menschen mit einer positiveren und lösungsorientierten Berichterstattung zurückgewinnen. Aber man muss tief graben, um gute Nachrichten in dieser Welt zu finden.“
Er und Viktoria Franke verweisen auf Hans Roslings Buch „Factfulness“, ein Plädoyer für den Fortschritt und die heilende Kraft solider Fakten, das zeige, „dass die Welt im Großen und Ganzen besser wird. Aber dem als Medium, als Nachrichtenplattform oder ähnliches zu folgen, ist schwierig in Zeiten, in denen die meisten Klicks Nachrichten bekommen, die die Leser in einen dunklen Teich ziehen.“ Mittlerweile werden ihnen aber auch positive Geschichten von ihren Lesern zugeschickt, denen die Redaktion dann nachgeht.

THE EUROPEAN CORRESPONDENT
The European Correspondent wurde im November 2022 von Julius Fintelmann und Philippe Kramer gegründet.
„Wenn man sich Europa anschaut, gibt es keinen wirklichen Journalismus, der dem Grad der Einigung in Europa entspricht“, fasste Julius ihre Motivation zusammen. „Es gibt eine gute Berichterstattung über die EU und ihre Institutionen, aber wir haben keine Medien, die über die Institutionen und die Grenzen der Union hinausgehen und einen tieferen Blick auf den Balkan und Osteuropa werfen, zwei der Regionen, die im Mittelpunkt ihrer Berichterstattung stehen. Das ist ein Problem, denn wenn wir eine europäische Öffentlichkeit und einen europäischen öffentlichen Diskurs der Zivilgesellschaft erreichen wollen, brauchen wir europäische Medien und einen europäischen Journalismus, der den ganzen Kontinent im Blick hat.“
Eines der Schlüsselelemente des European Correspondent sind Menschen vor Ort. Die meisten Korrespondenten leben in den Ländern über die sie berichten.

Das Team besteht aus über 160 Journalistinnen und Journalisten aus ganz Europa, von Armenien bis Island, von Portugal bis Estland, die ihre lokale Perspektive einbringen.
Die großen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben ihre Korrespondenten in der ganzen Welt, aber sie suchen meistens nach Themen, die für ihr nationales Publikum unter ihrem nationalen Blickwinkel relevant sind, so Julius. Für The European Correspondent sei es wichtig, eine lokale Perspektive von Journalisten vor Ort zu bieten und diese auf eine europäische Ebene zu heben.
Das Hauptprodukt ist ein täglicher Newsletter, der „eine großartige Form ist, um mit den Nutzern auf dem Laufenden zu bleiben“, betonte Julius. Jeder Tag der Woche ist einer von sieben europäischen Regionen gewidmet und erzählt die wichtigste Geschichte des jeweiligen Tages.

Business:

Die rund Korrespondentinnen und Korrespondenten arbeiten auf freiwilliger Basis, was sich mit der Zeit ändern soll. Die meisten von ihnen sind Journalismus- und Politikwissenschaftsstudenten, aber es gäbe auch einige erfahrene Journalisten, die für große nationale Medienunternehmen arbeiten. Von den 100 Personen, die bei der Gründung des European Correspondent an Bord waren, haben in den letzten sechs Monaten nur etwa fünf das Projekt verlassen, so Julius, „was ein großes Engagement der Mitarbeiter zeigt“.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten dezentral mit verschiedenen regionalen Teams, die in ihrer Verantwortung sehr autonom sind und mit ihren eigenen Redakteuren und Social-Media-Teams unabhändig und eigenständig handeln.

Finanzierung:
Für die Zukunft werden mehrere Einnahmequellen gesucht, wobei die wichtigste in den ersten Jahren das institutionelle Fundraising ist, um dann schließlich auf ein Mitgliedschaftsmodell umzusteigen. Der Newsletter soll weiterhin kostenlos gelesen werden können, aber die Mitglieder sollen bestimmte Vorteile erhalten, wie z. B. Zugang zu Gemeinschaftsveranstaltungen.

Zielgruppen:
Die Erasmus-Generation, auch Entscheidungsträger und Politiker, vor allem Menschen bis 35, 40 Jahre, die in Europa herumgezogen sind und sich als Europäer identifizieren.
Sie berichten nicht nur über die wichtigsten Ereignisse, über die jeder schreibt, sondern auch über Geschichten, über die sonst niemand berichtet, die aber sehr wichtig sind, um zu verstehen, was in diesen Ländern vor sich geht.

MEDIENINSIDER
Matthias Bannert, Geschäftsführer von Medieninsider, hat kurzfristig seinen Ko-Gründer Marvin Schade vertreten, der einen Artikel über den überraschenden Wechsel des Chefredakteurs beim SPIEGEL schreiben musste. Medieninsider wurde 2020 gegründet und ist ein Online-Magazin für die Medienbranche in deutscher Sprache. Sie mussten vom ersten Tag an Geld verdienen und arbeiten hauptsächlich mit freien Mitarbeitern. Der Fokus liegt auf der Transformation und Digitalisierung der Medienbranche.
Geschäftsmodell:
1. Die Haupteinnahmen stammen von den Abonnenten;
2. Werbung im wöchentlichen Newsletter;
3. Einzelne Produkte wie E-Books und Tickets für Online- und Offline-Veranstaltungen.
Zusätzlich haben sie vor kurzem eine Jobplattform für die Medienbranche ins Leben gerufen.

SUM-UP:
Es gibt verschiedene Finanzierungsmodelle, um ein Journalismus-Start-up zu finanzieren: B2B, Abonnement, institutionelle Förderung, Anträge bei verschiedenen Stiftungen wie der Schöpflin-Stiftung, Crowdfunding, etc. Aber viele der angebotenen Förderungen sind projektbezogen und nicht für das gesamte Projekt/Medium, was immer noch ein Problem ist bei der Suche nach finanzieller Unterstützung für junge Medien-Start-ups.
Andere Möglichkeit: Business Angels, die Start-Ups unterstützen, und auch Medien-Start-ups, wenn das Konzept überzeugt. Oder die Suche nach Sponsoring durch große Unternehmen (was andererseits die Unabhängigkeit des Start-ups in Frage stellen könnte.
Das Good News Magazin hat die Erfahrung gemacht, dass Business Angels sehr gewinnorientiert und auf schnelles Wachstum ausgerichtet sind, weshalb sie das Angebot, mit einem Business Angel zusammenzuarbeiten, bisher nicht angenommen haben.
Florian sagte, dass journalistische Start-ups den etablierten Medien Wege aus der Krise aufzeigen: „Obwohl wir alle finanziell zu kämpfen haben – wir haben nicht die Finanzkraft der großen Medienhäuser – ist das Clickbaiting, das viele betreiben, nicht nachhaltig. Auf diese Weise bekommt man keine langfristigen, beständigen Leser“.
Ein weiteres Problem ist die Conversion Rate. Die Leute wollen lesen, aber sie wollen nicht dafür bezahlen, wollen sich nicht langfristig als Leser binden, zum Beispiel als Abonnenten. Ein weiteres Dilemman ist, dass die Gründer nicht jeden Werbedeal annehmen wollen, um ihre Glaubwürdigkeit zu erhalten.

Es ist also nicht einfach, ein journalistisches Start-up zu gründen und auf die Beine zu stellen – das größte Problem ist die Finanzierung. Aber es ist auch wichtig, sich zu vernetzen, sich gegenseitig zu unterstützen, sich regelmäßig auszutauschen und Ideen zu entwickeln, wie man Journalismus finanzierbar machen kann. Das heißt, Gründer brauchen Mut, Energie, gute Nerven – und ein gutes Netzwerk.

Ein empfehlenswertes Netzwerk für unabhängige Medien-Organisationen ist:
On Reference – the European independent media circle, ein selbstorganisiertes Netzwerk von (derzeit) 26 journalistischen Outlets in Europa.
– Sie alle sind Teil des „neuen Sektors“ des öffentlich-rechtlichen, unabhängigen, (oft) digital nativen und (oft) gemeinnützigen Journalismus, die verschiedene Arten von Journalismus (investigativ, community, factchecking) in vielen verschiedenen Formen (Audio, Text, Bilder) produzieren.
– Die Mitglieder tauschen sich über nicht-redaktionelle Themen wie finanzielle Nachhaltigkeit, Projektverwaltung, Rechtsfragen und Personalwesen aus.
– Der Austausch ist informell und persönlich – es ist eine Gruppe von gleichgesinnten CFOs, Direktoren und Managern, die sich gegenseitig die Hand reichen, wenn sie Unterstützung, Rat oder Hilfe benötigen.
– Gleichzeitig unterstützen und initiieren sie Forschungsarbeiten über den „neuen Sektor“, um Erkenntnisse zu sammeln und zu verbreiten, die für wertvoll sein können.
– Sie versuchen auch, das Bild über die beste Art der Finanzierung unseres Sektors zu verändern, wobei der Schwerpunkt eher auf der Finanzierung von Infrastrukturen und dem Aufbau von Kapazitäten als auf der (redaktionellen) Projektfinanzierung liegt.
– Ab 2024 ist On Reference wieder offen für neue Mitglieder – wenden Sie sich bei Interesse an info(at)referencecircle.eu.