Potsdam, 07. August 2017. Die russische Journalistin und Medienmanagerin Natalaja Sindejewa erhält den diesjährigen M100 Media Award. Die Preisverleihung findet am Abend des 14. September zum Abschluss der internationalen Medienkonferenz M100 Sanssouci Colloquium in der Orangerie von Potsdam statt. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hält die politische Hauptrede, BILD-Chefredakteurin Tanit Koch die Laudatio.
Nachdem Natalja Sindejewa für mehrere TV-Shows und Radioprogramme als Producerin und Finanzchefin gearbeitet hat, gründete sie 2010 mit „Doshd“-TV (Rain-TV) den einzigen unabhängigen Fernsehsender Russlands, in dem – im Gegensatz zu der Mehrzahl der regierungsnahen Medien in Russland – auch regierungskritische Stimmen zu Wort kommen. 2011 erreichte „Doshd“ internationale Aufmerksamkeit, als er als einziger russischer Sender umfangreich über die Proteste nach den russischen Parlamentswahlen 2011 berichtete. In den letzten Jahren wurden Sindejewa und ihre Mitarbeiter immer stärker unter Druck gesetzt. Mittlerweile ist er aus allen Kabel- und Satellitennetzen entfernt worden und ist nur noch im Internet empfangbar. Werbekunden springen auf Druck der russischen Regierung reihenweise ab, und der Mietvertrag für das Studio wurde Hals über Kopf gekündigt. Für Natalja Sindejewa kein Grund, ihren „Optimistic Channel“ aufzugeben – im Gegenteil.
„Seit sieben Jahren führt Natalja Sindejewa ihren Sender Doshd TV mit bemerkenswerter Hartnäckigkeit durch die unwägbaren Tiefen russischer Politik und trotzt selbst größten Widerständen“, begründet M100-Beirat Kai Diekmann die Entscheidung des M100-Beirats. „Doshd TV ist der einzige unabhängige Sender in Russland, der über soziale, wirtschaftliche und politische Ereignisse berichtet, die von staatlichen Medien nicht aufgegriffen werden – und hat damit großen Erfolg! Der M100 Media Award würdigt ihren großen Mut und soll ihre beeindruckende Leistung sichtbar machen.“
„Am Beispiel von Natalja Sindejewa zeigt sich wieder einmal, was Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern riskieren“, sagt M100-Beirat und ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo. „Deshalb kann man ihren Einsatz nicht hoch genug würdigen. Unsere Preisträgerin hat den kritischen TV-Sender „Doshd“ gegründet, dem man in Russland und in der Ukraine das Publikum entzog. In Potsdam gehört die Bühne ihr.“
M100-Beirätin Andrea Seibel, Ressortleiterin Meinung/Forum WELTN24, ergänzt: „Natalia Sindejewa tut das, was gute Journalisten tun. Sie geht ihrer Arbeit nach und versucht, ihr Konzept von Journalismus marktfähig zu halten. Sie tönt nicht groß von „kritischem“ Journalismus oder „Opposition“. Und weil sie das in einem extrem feindseligen und anti-demokratischen Umfeld tut, verdient sie großen Respekt und Anerkennung.
M100-Beirat Christoph Lanz, ehemaliger Fernsehdirektor der Deutschen Welle, betont: „Inmitten einer fast ausschließlich staatlich kontrollierten Medienlandschaft hat N.S. mit Doshd TV eine Insel der Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt geschaffen, die sie seit Jahren gegen alle Widerstände und unter Einsatz ihrer eigenen Existenz verteidigt. Das ist eine herausragende Leistung, die wir mit der Vergabe des M100 Media Award unterstützen möchten.“
Der M100 Media Award wird seit 2005 jährlich im Rahmen des M100 Sanssouci Colloquiums an Persönlichkeiten vergeben, die „Fußspuren“ in der Welt hinterlassen haben und sich für Demokratie, Meinungs- und Pressefreiheit einsetzen. Bisherige Preisträger sind unter anderem Bob Geldof, Hans-Dietrich Genscher, der dänische Karikaturist Kurt Westergaard, Vitali Klitschko, das französische Satiremagazin Charlie Hebdo und im letzten Jahr der italienische Schriftsteller Roberto Saviano.
Der Titel des den Tag über stattfindenden M100 Sanssouci Colloquiums lautet in diesem Jahr „Demokratie oder Despotie? Die Renaissance der dunklen Mächte“. Aufbauend auf dem Thema des M100 Sanssouci Colloquiums 2016 „Krieg oder Frieden“ diskutieren – kurz vor der deutschen Bundestagswahl – über 70 Chefredakteure, Historiker und Politiker aus vielen Ländern Europas über den Zustand der Demokratie, die Auswirkungen der aktuellen politischen Entwicklungen, die Weltlage nach den ersten neun Monaten Trump sowie die Zukunft der Medien und ob sie noch in der Lage sind, ihrer Aufklärungs- und Orientierungsfunktion nachzukommen.
Die Eröffnungsrede zum Auftakt des Colloquiums am Morgen hält der türkische Journalist und ehemalige Chefredakteur von „Cumhuriyet“, Can Dündar.