Donnerstag, 15. September 2022, Orangerie Sanssouci, Potsdam
23. März 2022. Der militärische Angriff Russlands auf die Ukraine bedeutet eine Epochenwende. Nicht nur für Europa, sondern für die gesamte Welt. Die brutale Invasion ist der größte kriegerische Konflikt auf dem europäischen Kontinent seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit enormen Folgen für Geopolitik, Wirtschaft, Demokratie, Gesellschaft und Umwelt.
Aufbau und Erweiterung der EU wurden von westlicher Seite von einem über 30 Jahre dauernden „Friedensmythos“ begleitet, der am 24. Februar 2022 ein jähes Ende fand. Dieser Schock wird lange durch die Gesellschaft vibrieren und tiefgreifende Folgen haben.
Nach dem von Francis Fukuyama prognostizierten „Ende der Geschichte“ bedeutet es die erste große historische Zäsur nach Wiedervereinigung und Ende des Kalten Krieges, das Ende des erhofften immerwährenden Friedens in Europa, das Ende des erhofften „Wandel durch Handel“, das Ende des 1975 durch die Schlussakte von Helsinki begründeten europäischen Sicherheitssystems. Es ist das Ergebnis einer jahrelangen „resignativen Unentschlossenheit des Westens gegenüber einem Russland, das alle Regeln übertritt und sämtliche Werte missachtet“ (Herfried Münkler).
Bereits 2015 hat Timothy Snyder geschrieben, dass die Besetzung und Annexion der Krim durch Russland und die bewaffnete Unterstützung der Separatisten in den Oblasten Donezk und Luhansk das Ende einer langen Phase europäischer Geschichte markiere, „in der bestimmte Regeln als dauerhaft gültig und staatliche Souveränität als unantastbar angesehen wurden. Aufgrund des Moskauer Vorgehens, das gleichermaßen gegen die Charta der Vereinten Nationen, die KSZE-Schlussakte von Helsinki und das Budapester Memorandum verstößt, steht inzwischen mehr auf dem Spiel als eine Revolution in einem Land. Es geht um nichts weniger als die internationale Ordnung.“
Es ist vor allem die Entwicklung in Richtung Freiheit und Demokratie im Schwesterland Ukraine, die der Kreml als offensichtlich bedrohlich empfindet. Es ist ein Krieg gegen die Demokratie.
Dieser Krieg sei „eine tiefere Zäsur als der 11. September 2001“, so der Historiker Andreas Rödder. Europa fehle „Hard Power“: „Das liegt daran, dass wir uns eine Welt zurechtfantasiert haben, in der sich alles gewaltfrei und mit Diplomatie lösen ließe. Wir brauchen einen neuen Realismus. Wir müssen mehr Gemeinsamkeit in der Europäischen Union und in Europa herbeiführen, wir müssen aktiv den Schulterschluss im transatlantischen Bündnis bilden. Und wir müssen Entschiedenheit an den Tag legen.“ Freiheit habe seinen Preis.
Wie will Europa, wie will die westliche Welt Demokratie, Freiheit sowie Presse- und Meinungsfreiheit verteidigen und stärken? Müssen wir unser Denken, unsere Prioritäten, unsere Politik verändern? Haben sich auch Medien zu stark vom „Friedensmythos“ leiten lassen und versäumt , frühzeitig eine sachliche, analytische, ausgewogene Debatte darüber zu führen, was die aggressive Politik Putins bedeuten würde? Welche Rolle spielen Soziale Medien in diesem Kontext? Wie werden Fake News, Desinformation und Cyberattacken als Kriegswaffen eingesetzt, welche Auswirkungen haben sie auf die Berichterstattung, wie werden Journalistinnen und Journalisten damit konfrontiert und wie können sie dem begegnen? (Hier wird es Inputs von Teilnehmerinnen und Teilnehmern des M100 Young European Journalists Workshop geben, der im Vorfeld des Colloquiums zum Thema Fake News und Desinformation stattfindet.)
Ziel des 18. M100 Sanssouci Colloquiums ist ein konstruktives, intersektorales Gespräch zwischen 50 bis 60 Vertretern aus Politik, Medien und Wissenschaft aus ganz Europa und darüber hinaus über die Perspektiven eines freiheitlichen, demokratischen Europas im Angesicht einer neuen Weltordnung und welche Rolle die Medien spielen.
Um auf aktuelle Ereignisse reagieren zu können, behalten wir uns eine Änderung des Programms vor.