Laudatio Wilhelm Vossenkuhl

[…] Jede Beschreibung seines Werkes ist voller Superlative: Das teuerste Bankgebäude seiner Zeit (die Hongkong und Shanghai Bank), der bisher grösste Flughafen (Chap Lap Kok, Hongkong), das höchste Bauwerk Europas (der Commerzbank-Turm in Frankfurt), die weltweit höchste Brücke (Viaduc de Millau), die ambitioniertesten Städtebauprojekte in London (die Millennium-Brücke, das Schweizer Rück-Bauwerk, Canary Wharf-U-Bahnstation), die größte Anzahl von Architekturprojekten weltweit. …

… Wenn man den Wert seiner Bauwerke genauer betrachtet wird offensichtlich, dass diese nicht in erster Linie architektonischer Natur im technischen Sinne sind, sondern, dass sie die Identität der Architektur Lord Fosters bilden. Foster strebt nach Gründlichkeit in seinem Verständnis dessen, was in seiner Arbeit zählt. In vielen seiner Projekte trifft Psychologie auf Wirtschaftlichkeit, und Soziologie begegnet Technik, und manchmal … trifft Geschichte mit dem Alltagsleben zusammen. Sein Architekturverstand regt nicht nur den Dialog zwischen diesen Gebieten an. Er überbrückt die Kluft zwischen ihnen, indem er auf jedes der Projekte die gesamte fachliche Kompetenz all dieser Bereiche konzentriert. Er möchte den Bedürfnissen aller Beteiligten in nachhaltig umweltverträglicher Weise entgegenkommen. Der Bleistift in seiner linken Hand rührt sich nicht, bis er nicht vollkommen die Aufgabe verstanden, und seine architektonische Freiheit, sie zu erfüllen, hat. Er braucht einen absolut klaren Verstand bevor er mit seinen Ausführungen beginnt. Seine historischen Rekonstruktionen sind daher unaufdringlich, subtil und wahrheitsgetreu. …

Er will seinen Projekten gerecht werden und nicht architektonischen Ambitionen oder Narzissmus. Alle diese Vorzüge zusammengenommen erzeugen diese besondere Qualität seiner Projekte und seine Identität als Architekt. … Lord Foster wurde nicht immer für diese Tugenden gelobt, vor allem nicht von den Kritikern, die deren Existenz nicht einmal bemerkten. Seine Bescheidenheit und Wahrhaftigkeit wurden irrtümlicherweise als Beleg für Unentschlossenheit, Wechselhaftigkeit, Pragmatimus und Unsicherheit aufgefasst. …

… Über die Jahrzehnte bildeten einige der Kritiken an seiner Arbeit faszinierende Bündel von Widersprüchlichkeiten. In der Vergangenheit wurde Foster zum Beispiel für seine Hightech-Architektur getadelt. Mir ist nicht ganz klar, was dieses Etikett im Allgemeinen bedeuten soll, aber davon abgesehen ist es wahr, dass seine Verwendung und Anwendung modernen Ingenieurbaus durchaus die Bezeichnung ‚Hightech’ verdient. …

… Ein besonders aufschlussreiches Beispiel für inkohärente Bewertung seiner Arbeit bezieht sich auf Lord Fosters Einbindung politischer Ideen in seine Entwürfe. Seinem demokratischen, politischen Bestreben, dass, zum Beispiel, die Architektur des Berliner Reichstags dem öffentlichen Interesse an transparenten, politischen Institutionen dienen sollte, wurde mit Ungläubigkeit, Hohn und Vorwürfen begegnet, besonders seitens einiger seiner Architektenkollegen. Letztendlich, fast ein Jahrzehnt später, nachdem er das Rathaus für  Greater London – Town Hall, gebaut hatte, wurde Foster für eben diesen demokratischen Anspruch gelobt. Eines der deutschen Wochenblätter schrieb, dass Foster den Beweis, dass Demokratie immens durch Architektur gewinnen kann, angetreten hat. Na bitte! Und die enorme Zahl derjenigen, die täglich die Kuppel des Berliner Reichstags besuchen, wird dem sicherlich zustimmen. …

Fosters architektonischer Verstand war immer in Bewegung.  Er sah das Bedürfnis nach ökologischen Lösungen und versuchte, lange bevor es die Norm wurde, Tageslicht in seine Gebäude zu integrieren.  Das riesige Glasdach über dem Berliner Reichstag voller photoelektrischer Zellen, die er als erster vorschlug, war ein wagemutiges Vorgehen, zu gewagt für die politische Mehrheit. Sein Verstand ist weiterhin in Bewegung, wie seine Verwendung von Holz beim Chesa Futura-Projekt in St. Moritz beweist. Ich kenne nur einen anderen Gestalter und Konstrukteur, der eine ähnliche Neugierde und Wissbegierde nach neuen, nachhaltig umweltverträglichen Lösungen besass – Otl Aicher. Es ist daher nicht überraschend, dass er und Foster ein einzigartiges Team von engen Freunden voller innovativer Ideen bis zu Aichers Tod im Jahre 1991 bildeten. Wie Aicher ist auch Foster ein Intellektueller, der die Welt mit seinen genialen Bleistiftstrichen zu verändern sucht. Ich habe Aicher einmal gefragt, was er von Foster hält. Seine Beschreibung war kurz und bündig: „Er ist der Beste“. […]