Europaweite Umfrage des ECFR zum Ukraine-Konflikt

Mehrheiten in ganz Europa rechnen 2022 mit einer russischen Invasion in die Ukraine – und befürworten eine Verteidigung der Ukraine durch EU und NATO.

9. Februar 2022. Eine europaweite Umfrage des ECFR zeigt, dass überwiegende Mehrheiten in Deutschland (52%), Frankreich (51%), Italien (51%), Polen (73%), Rumänien (64%) und Schweden (55%) erwarten, dass Russland 2022 in die Ukraine einmarschieren wird. In Finnland teilt immerhin eine große Mehrheit (44%) diese Ansicht.

• Als Hauptverteidiger der ukrainischen Souveränität wird die NATO angesehen; die Europäer:innen sind aber auch der Meinung, dass die EU im Fall russischer Aggression hinter der Ukraine stehen sollte.

• Der Ukraine Unterstützung zukommen zu lassen, wird von vielen als ein vertretbares Risiko angesehen, wenngleich sich die meisten Menschen weniger engagiert zeigen, wenn es um die Rolle ihres Heimatlandes bei der Verteidigung der Ukraine geht.

• Nach Ansicht der Außenpolitikexperten Mark Leonard und Ivan Krastev werden die kommenden Wochen zeigen, „ob die Europäer:innen den Übergang von einer von Soft Power geprägten Welt zu einer von Resilienz geprägten schaffen können“ – und dass die landläufige Vorstellung, ein Krieg sei „undenkbar“, nicht mehr stimmt.

Russlands militärische Aktivitäten an der ukrainischen Grenze haben in Europa einen Stimmungsumschwung nach sich gezogen. Vor dem Hintergrund sich rasant zuspitzender Spannungen gehen Mehrheiten in Europa inzwischen davon aus, dass Russland 2022 in die Ukraine einmarschieren wird. Darüber hinaus vertreten sie die Ansicht, dass die EU und die NATO in einem solchen Szenario hinter Kiew stehen sollten. Dies geht aus einem neuen, von Umfragen gestützten Bericht hervor, der heute vom European Council on Foreign Relations (ECFR) veröffentlicht wird.

Die vom ECFR in sieben EU-Mitgliedstaaten durchgeführte Umfrage ergab, dass die europäischen Bürger:innen im Falle eines Konflikts zwischen der Ukraine und Russland die NATO und ihre dreißig Mitgliedstaaten als die wichtigsten Partner bei der Verteidigung der ukrainischen Souveränität ansehen. Besonders ausgeprägt ist diese Haltung in den geografisch nahe der Ostgrenze Europas gelegenen Mitgliedstaaten Polen, Schweden, Rumänien und Italien.

Die Umfrage ergab auch, dass die Europäer:innen im Hinblick auf die Verteidigung der Ukraine ihr Vertrauen sowohl in die NATO als auch in die EU setzen und den Vereinigten Staaten nicht vertrauen, dass sie sich im Falle eines russischen Einmarschs in die Ukraine in gleichem Maße oder stärker für die Interessen der EU-Bürger:innen einsetzen. In allen Ländern mit Ausnahme von Polen und Rumänien trauen die Menschen eher Deutschland als den Vereinigten Staaten zu, die Interessen der EU-Bürger in einem solchen Szenario zu verteidigen. Und selbst in Polen sehen die Befragten die NATO (75%) und die EU (67%) – und nicht die Vereinigten Staaten (63%) – als diejenigen an, die in dieser Frage am vertrauenswürdigsten sind.

Die neue ECFR-Umfrage wurde von Datapraxis, AnalitiQs und Dynata in sieben EU-Mitgliedstaaten – Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Polen, Rumänien und Schweden – durchgeführt und zeigt des Weiteren, dass die europäischen Bürger:innen bereit sind, als Folge einer Unterstützung der Ukraine „große“ und potenziell langfristige Bedrohungen in Kauf zu nehmen. Dazu zählen der eine höhere Anzahl an flüchtenden Menschen an den europäischen Grenzen, steigende Energiekosten, neue wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen, Cyberangriffe und die Bedrohung durch weitere Militäraktionen von russischer Seite.

Überwiegende Mehrheiten in den fast allen befragten Staaten (Polen 77%, Italien 68%, Rumänien 65%, Deutschland 59%, Finnland 59%, Frankreich 51%) und eine deutliche Mehrheit in Schweden (47%) sehen in der Energieabhängigkeit eine Sicherheitsbedrohung für ihr Land im Zusammenhang mit der aktuellen Krise. Polen, Schweden und Rumänien sind die Länder, in denen die Befragten am ehesten die Ansicht äußern, dass es sich lohnt, im Falle einer russischen Invasion das Risiko aller oben genannten Folgen zu tragen. In Frankreich, Finnland und Deutschland sind die meisten der Meinung, dass die Vorteile die Risiken nicht aufwiegen.

Die gesamte Studie finden Sie hier.