Die Rolle der Medien: Wir brauchen mehr Medienkompetenz

Potsdam, 26. Oktober 2022. Die Strategische Arbeitsgruppe III widmete sich dem Thema „Wie wir auf die Informationskriegsführung reagieren: Können wir Information als europäisches öffentliches Gut zurückfordern?“ und wurde von Prof. Dr. Alexandra Borchardt moderiert, leitende Journalistin, Buchautorin, Dozentin, Medienberaterin und Mitglied des M100-Beirats. Sie präsentierte auch das Ergebnis der Diskussion. Die einleitenden Impulse hielten Meera Selva, CEO for Internews Europe, UK, und Roman Badanin, Gründer und Chefredakteur von Proekt und von Agentstvo, einem Zusammenschluss von Journalisten, die von der russischen Regierung wegen ihrer investigativen Berichterstattung ins Visier genommen wurden.

Als Problemdefinition wurde von den Teilnehmern der Gruppe u.a. das veränderte Informationsumfeld, die fehlenden Gatekeeping-Kapazitäten der Medien sowie nicht-demokratische Akteure identifiziert, die diese Chance für sich ausnutzen. Es mangele an effizienten Reaktionen anderer Akteure wie dem Staat, traditionellen Medien und Plattformunternehmen, um diesem Problem effizient entgegenzutreten. Auch wurde die nachdenkenswerte Frage aufgeworfen, ob es überhaupt jemals Information als europäisches öffentliches Gut gegeben habe.
Die jüngere Generation, die nicht mit den traditionellen Medien aufgewachsen ist, habe meist wenig Vertrauen in diese. Eines der wichtigsten Aufgaben der traditionellen Medien sei es, das Vertrauen der jungen Generation zurückzugewinnen.
Desinformation sei als Problem nur zweitrangig. Das Wichtigste sei die Genauigkeit und Wahrhaftigkeit der Informationen, die die Medien verbreiten. Viele Menschen seien sich bewusst, dass es Propaganda gibt und schon immer gegeben hat, insbesondere in Kriegszeiten.

Key Points:

Prof. Dr. Alexandra Borchardt

• Unabhängigkeit und Pluralität der Medien sind entscheidend. Die Medien müssen die Eigentumsverhältnisse und die Finanzierung unabhängiger Medien transparent machen und dafür sorgen, dass sie wirtschaftlich arbeiten.
• Es gibt kein allgemeingültiges Modell für Medien und Journalismus (und die dafür geltenden Regeln), es hängt von den Kulturen ab und ist in Friedens- und Kriegszeiten sowie im globalen Norden und Süden unterschiedlich.
• Das Thema wird meist aus einer westlichen und friedensmäßigen Perspektive mit demokratischen Akteuren diskutiert. Die Antworten, die wir entwickeln müssen, müssen auf die jeweilige Situation zugeschnitten sein, was es sehr schwer macht, eine einheitliche Lösung für ganz Europa zu finden.

Meera Selva, Internews

• Wir brauchen eine größere Medienkompetenz für alle Generationen und in allen Teilen der Gesellschaft. Aber das kann nicht von den Medien allein erreicht werden. Es ist die Aufgabe aller Bildungseinrichtungen, transparent zu machen, wie Medien und neue Medienplattformen funktionieren.
•  Die traditionellen Medien haben die neue Generation im Stich gelassen. Junge Menschen wollen mehr Erklärungen, eine systemische Sichtweise statt eines engen Fokus auf aktuelle Nachrichten. Sie müssen sich gesehen und vertreten fühlen.
• Die Medien müssen auf ihr Publikum hören. Sie müssen die Wahrheit attraktiv machen und dem Publikum helfen, mit Unsicherheit umzugehen. Journalismus als Dienstleistung.

Roman Badanin, Agentstvo | Proekt

• Medien müssen wahrhaftig sein, aber dennoch populär – das ist der schmale Grat, auf dem sich der Journalismus bewegen muss.
• Die Medien müssen als eine wichtige demokratische und lebendige Institution wahrgenommen werden.
• Traditionelle Medien sollten integrativere Redaktionen mit unterschiedlichen Perspektiven aufbauen und auch jungen Journalisten mehr Gehör schenken (weniger hierarchische Strukturen und mehr Interaktion).