Bob Geldof 2007

Dankesrede Bob Geldof

Ich bin ein Kind des Medienzeitalters, deshalb ist das hier eine große Ehre und ich fühle mich sehr geschmeichelt. Ich glaube, man fühlt sich besonders geschmeichelt, wenn man so etwas von denjenigen erhält, die einen als ihresgleichen betrachten. Und ich bin schon eine ganze Weile im Mediengeschäft, manchmal als Sänger, manchmal schreibe ich für Giovanni (di Lorenzo) und Kai (Diekmann) und andere. Was hier bei diesem Kolloquium stattfindet, wird in den kommenden Jahren immer wichtiger werden. Dieses Jahr wurde der Ost-West-Dialog behandelt und manche Journalisten fragten mich, ob ich einen Nord-Süd-Dialog bevorzugen würde.

Globalisierung in seiner modernen Form ist ein Resultat des Medienzeitalters, das sich zu meinen Lebzeiten abspielt. Als ich ein kleiner Junge war, stellte mich mein Vater vor die Tür unseres Hauses in Dublin. Und wir schauten in den Himmel hinauf and verfolgten, wie ein kleiner silberner Ball den Himmel durchquerte, und wir drehten das Radio auf volle Lautstärke und horchten, was dieser Satellit zu sage hatte. Und der Satellit sagte piep, piep.

Als ich dann ins Teenager-Alter kam, sprachen junge Männer über einen Wandel im Rock ’n’ Roll. Diese beiden Dinge ‑ Satelliten und die Lingua Franca dieses Planeten, die nicht Englisch ist, sondern Rock ’n’ Roll ‑ wurden in den 80er Jahren sehr nützlich, als ich wiederum durch die Medien von einem Ereignis hörte, das ich für eine strafbare Handlung halte, und zwar vom unmittelbar bevorstehenden Tod von 30 Millionen Menschen in einem Kontinent, 12 Kilometer von unserem entfernt, die an Mangel sterben in einer Welt des Überflusses.
(…)

Und diese kleine Geschichte begann damals und seitdem durfte ich das großartige, internationale Netz, das die Medienwelt ist, all seine Satelliten, all seine Journalisten, all seine Zeitungen und ‑ wie Minister Schäuble vorhin erwähnte ‑ das Internet nutzen. Und ich möchte gerade den deutschen Medien dafür danken, was sie dieses Jahr vollbracht haben, in diesem für Deutschland so bedeutungsreichen Jahr.

Als wir ankamen, um die Kampagne für den deutschen G8-Gipfel zu starten, war die Berichterstattung über Afrika auf einem sehr niedrigen Ausgangsniveau. Sie befasste sich mit der Pornographie der Armut und Hoffnungslosigkeit. Sie befasste sich mit dem entsetzlichen Anblick der Sterbenden. Und innerhalb eines Jahres änderte sich das. Wir sind zu allen Zeitungen gegangen, wir habe die Redakteure angerufen und gesagt: „Es passieren dort auch andere Sachen. Das ist ein großartiger Erdteil. Armut verweigert ihnen, ihr menschlichen Potential auszuschöpfen. Setzt dieses Potential frei und wir wir erleben eine Explosion der Kultur, der Ideen, des Handels. Wir versagen bei der Freisetzung des Potentials eines ganzen Kontinents und erweisen uns damit keinen Dienst.“

Deutschland wird dieses Jahr nicht an erster Stelle als Exportmarkt der Erde stehen, sondern an zweiter. Es wird von China überholt werden. Und der grösste wachsende Exportmarkt für China ist, natürlich, Afrika. Warum? Wie konntet ihr das zulassen? Was ist es, dass die Chinesen verstehen und Deutschland nicht begreift? Sie können euch preislich Konkurrenz machen, aber ihr könnt mit eurer Nähe konkurrieren. Warum ist Afrika immer exotisch dunkel oder verarmt?

Im Laufe dieses Jahres habt ihr angefangen, eure Sichtweise zu verändern und damit die Sichtweise in Deutschland. Nun, für mich war das G8-Treffen eine große Enttäuschung. Wir haben die Künstler aufgeboten, wir haben die Journalisten mobilisiert. Wir haben die Schulen mobilisiert. Und für Deutschland war es ein großartiges Resultat, national gesehen. Kanzlerin Merkel vermochte das rückständige Budget für Entwicklungshilfe näher dahin zu bringen, wo es eigentlich sein sollte.

Aber Deutschland war nicht in der Lage, den Rest der G8-Länder zu überzeugen, sich seinen Bemühungen anzuschliessen, was beschämend für diese Länder sein sollte. Das war nicht die Schuld der Kanzlerin. Ich hatte ein paar Mal die Gelegenheit sie zu treffen und fand sie direkt und ehrlich. Und ich glaube, dass, wenn mehr hätte getan werden können, mehr getan worden wäre.

Aber wir kommen jetzt zum Ende dieses G8-Jahres. Deutschland führt immer noch die G8 an und wir nähern uns der Geberkonferenz des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria. Nun, das ist eine Einheit, die zählbar ist, man kann jeden Cent dahin verfolgen, wo er hingeht, und wo er hingeht, meine Damen und Herren, ist zu den am schlimmsten betroffenen Gebieten Afrikas, die unter diesen elenden, chronischen Krankheiten leiden. Im Jahre 2002 wurden 50.000 Aidskranke behandelt. Im Augenblick werden über eine Million der betroffenen Gesamtbevölkerung von über 5 Millionen behandelt. Das ist ein großartiger Erfolg.
(…)

Momentan ringt der Globale Fond darum, dass, unter anderem, Deutschland seinen Verpflichtungen nachkommt. Nun ist wiederum ein Zeitpunkt gekommen, in dem Deutschland die Führung übernehmen sollte. Das hat nichts mit politischer Korrektheit zu tun. Es hat damit zu tun, wozu sich ein Land verpflichtet hat, nicht im Namen irgendeiner politischen Partei, nicht im Namen irgendeines Politikers, sondern wozu es sich verpflichtet hat im Namen des deutschen Volkes. Und deshalb entehrt es die Menschen, in deren Namen diese Verpflichtung übernommen wurde, wenn diese Verpflichtung, dieses Versprechen nicht eingehalten wird. Und es bringt die Menschen, für die diese Verpflichtung eingegangen wurde, um.

Im Dezember gehen wir zum EU-AU-Gipfel in Lissabon. Portugal hat die EU-Präsidentschaft inne und ich werde mich am Dienstag mit Premierminister Sócrates treffen, um die EU-Tagesordnung zu besprechen. Es ist wirklich lächerlich, dass ein nicht sehr erfolgreicher Popsänger mit dem Premierminister von Portugal und Präsident von Europa ausdiskutiert, was auf der Tagesordnung stehen sollte. Sehr zum Unglück der Journalisten bin ich aber ein verdammter Experte in diesen Dingen. Aber ich bin es nun mal. 24 Jahre später weiss man ziemlich genau Bescheid darüber. Und Deutschland sollte auch hier die Führungsrolle übernehmen, denn dies ist ein außergewöhnlicher Zeitpunkt für Afrika. Die Preise für Waren und Rohstoffe waren noch nie höher – ein weiterer Grund ,warum China dort drinsteckt. Warum nicht Deutschland, warum nicht Europa?
(…)
Meine Damen und Herren, ich habe darüber nachgedacht, wie ich kurz abschließe. Wenn man in diese Welt hinausgeht, kann einem möglicherweise vorgeworfen werden, dass man politisch korrekt ist. Ich sehe es einfach nur als Politik. Korrekt oder anderweitig, das ist mir völlig egal. Und es besteht die Möglichkeit, dass einem vorgeworfen wird, dass man extrem langweilig ist. Was ich, ich gebe es offen zu, bin. Aber man geht da hinein mit einem Gefühl der Verpflichtung im vollen Bewusstsein, dass etwas getan werden muss, ob es ein moralisches Gebot ist, eine finanzielle oder eine politische Notwendigkeit oder einfach nur Selbstinteresse.
Es muss etwas getan werden. Und dem müssen wir ein Gefühl der Verpflichtung geben. Und da ich mich in Deutschland befinde, möchte ich das bisschen Goethe zitieren, das ich in Irland in der Schule gelernt habe: „Was immer Du tun oder erträumen kannst, fang es an. Kühnheit trägt Genialität, Stärke und Zauberkraft in sich.“ Also, lasst uns wieder anfangen. Vielen Dank.