„Mit Russland als systemischer Bedrohung braucht Europa ein neues Rezept für Frieden und Wohlstand“

Eröffnungsrede von Dr. Anna Wieslander, Direktorin für Nordeuropa beim Atlantic Council, Schweden, am 14. September 2024 in Potsdam

Es herrscht die Überzeugung, dass eine abwartende Haltung gegenüber Russland für einen friedlichen Weg in die Zukunft von Vorteil sein könnte“, sagte Anna Wieslander in ihrer Eröffnungsrede des M100 Sanssouci Colloquiums am vergangenen Donnerstag. „Eine solche Überzeugung basiert auf Überlegungen wie: Besteht wirklich eine Gefahr, auf das Beste zu hoffen, den Wunsch nach Dialog und Entspannung zu signalisieren, unabhängig vom Verhalten Russlands? Ist das nicht einfach verantwortungsvolle Führung, ein Versuch, eine Eskalation des Konflikts zu vermeiden, sich für Kommunikation und gegenseitiges Verständnis zu öffnen und militärische Aspekte herunterzufahren? Leider nicht. In der Tat könnten Tatenlosigkeit und Zögern aggressives Verhalten beschleunigen. Auch in dieser Hinsicht liegt die Antwort auf die Frage in der Anerkennung Russlands als systemische Bedrohung. Fehlwahrnehmungen oder Fehleinschätzungen können große Auswirkungen haben, wie uns das Münchner Abkommen von 1938 gelehrt hat.“
Europa müsse „eine langfristige Strategie entwickeln, die über die unmittelbare Situation hinausgeht. Europa muss sich darüber im Klaren sein, dass Russland zwar geografisch immer an der Grenze Europas liegen wird, aber nicht zwangsläufig ein Teil Europas ist oder notwendigerweise in unsere Sicherheitsordnung einbezogen ist. Europa sollte stattdessen ein Gleichgewicht gegenüber Russland herstellen.“
Anna Wieslanders ganze Rede können Sie hier nachlesen und anschauen.

Anna Wieslander hält Eröffnungsrede des 20. M100SC

27. Mai 2024. Wir freuen uns sehr, Anna Wieslander, Direktorin für Nordeuropa beim Atlantic Council in Schweden, als Eröffnungsrednerin des 20. M100 Sanssouci Colloquiums gewonnen zu haben!
Anna Wieslander ist eine äußerst erfahrene und gefragte Europa- und Sicherheitsexpertin, die internationale Trends mit besonderem Schwerpunkt auf der Sicherheitslage in der Region und deren Zusammenhang mit transatlantischen und globalen geopolitischen Entwicklungen analysiert. Ihre Expertise umfasst die Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die Sicherheit der NATO im Ostseeraum, die Arktis und die europäische Verteidigungszusammenarbeit.
Anna Wieslander ist ein zudem Vorsitzende des Institute for Security and Development Policy (ISDP), einer in Stockholm ansässigen Denkfabrik mit Schwerpunkt auf Zentralasien und Asien und Generalsekretärin der Swedish Defence Association (AFF).
Die Eröffnungsrede findet am 12. September um 10.00 Uhr (MEZ) statt und wird live gestreamed.

 

Der Mann hinter dem „Agentengesetz“ in Georgien

17. Mai 2024. Seit Wochen gehen Hunderttausende in Georgien auf die Straße, um gegen das sogenannte „Gesetz über Transparenz ausländischen Einflusses“ der Regierungspartei „Georgischer Traum“ zu demonstrieren. Das Gesetz lehnt sich eng an das russische „Agentengesetz“ an, mit dem der Kreml seit Jahren Oppositionelle, Medien, Journalisten und NGOs unterdrückt. Es verpflichtet Organisationen, die zu mehr als 20 Prozent aus dem Ausland finanziert werden, sich als „Agenten ausländischen Einflusses“ zu registrieren. Durch dieses Gesetz ist es Russland gelungen, jede Art von Opposition auszuschalten, NGOs und sämtliche unabhängigen Medien zu schließen. Das gleiche Szenario droht nun auch in Georgien. Doch trotz der massiven Proteste hat das Georgische Parlament das Gesetz am 14. Mai durchgewinkt. Die Folge: Das Land im Kaukasus, seit Dezember 2023 offizieller EU-Beitrittskandidat droht, wieder als eine Art Satellitenstaat in die russische Umlaufbahn zurückkapituliert zu werden. Damit rückt eine EU-Mitgliedschaft in äußerst weite Ferne.

Was steckt dahinter?
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Anna Romandash gewinnt Ausschreibung für Literaturforschungsprojekt

28. März 2024. Wir gratulieren der ukrainischen Journalistin und M100-Alumna Anna Romandash, die die Ausschreibung des Literaturforschungsprojekt „Stories of Resilience“ des englischen und ukrainischen PEN gewonnen hat. Beworben hatte sie sich mit ihrer Reportagesammlung „Women of Ukraine: Reportages from the War and Beyond“, die Ende 2023 im ibidem Verlag erschienen ist. Insgesamt wurden 41 Anträge für die Teilnahme am Projekt eingereicht. Die Bewerbungen wurden von einer Jury bewertet, zu der die Schriftsteller Oksana Lutsyshina und Alexander Mikhed sowie Mitglieder des englischen und ukrainischen Pen-Admin-Teams gehörten.

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Ziele und Auswirkungen anti-westlicher Propaganda in Georgien

25. März 2024. Tamar Kintsurashvili, Executive Director der Media Development Foundation in Tiflis und Teilnehmerin des M100 Sanssouci Colloquium 2023 (Foto), hat einen neuen Bericht über antiwestliche Propaganda in Georgien veröffentlicht.
Der Report, der den Zeitraum von Januar bis Dezember 2022 abdeckt und auf der Analyse von bis zu 10.000 Kommentaren basiert, zeigt, dass der größte Anteil der Propagandabotschaften gegen den kollektiven Westen und die USA gerichtet war, gefolgt von der EU und der NATO. Weitere Ziele waren die Ukraine, demokratische Institutionen wie NGOs, der Ombudsmann und die Medien sowie liberale Ideen im Allgemeinen. „Russland war das einzige Thema, das in dem gegebenen Diskurs positiv dargestellt wurde“, so der Report.
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Krieg ist eines der schrecklichsten Dinge, an die man sich gewöhnen kann

Von Olena Kuk

Was hat sich seit dem Beginn des verheerenden russischen Krieges verändert? Um diese Frage zu beantworten, schildere ich Ihnen einen normalen Morgen in Kyiv:

7. Februar 2024
5:55 Uhr – Fliegeralarm.
6.57 Uhr – Explosion in der Ferne. Dieses Geräusch weckte mich, denn der vorherige Alarm hatte mich nicht geweckt. Ich nahm mein Telefon und überprüfte die Telegram-Kanäle, um zu verstehen – was war das?
„Cruise missiles are flying toward Kyiv“, – die Nachricht von der Air Defence habe ich verschlafen.
„Die Luftabwehr arbeitet in Kyiv“, – die aktuelle Meldung.
„Cruise missiles are flying towards Kyiv“, – nächste Meldung.
7:05 Uhr – Ich lege das Handy weg, drehe mich auf die andere Seite und schlafe wieder ein. Am Vortag musste ich bis 00:00 Uhr arbeiten, ging nach Hause und war um 2:00 Uhr im Bett. Ich war so müde, dass ich nicht einmal den Fliegeralarm hören konnte und beschloss, das Risiko einzugehen und weiterzuschlafen.
7.40 Uhr – lautes Explosionsgeräusch. Meine Fenster wackelten. Eine weitere starke Explosion.
7.41 Uhr – Ich nahm meine Decke und ging in den Flur, um mich hinter zwei Wänden zu verstecken. So einen lauten Knall kann man nicht ignorieren.

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Russische Propaganda ist eine schwere Menschenrechtsverletzung

Von Anastasiia Ivantsova

Russland ist nicht nur eine Bedrohung für die Menschen in der Ukraine. Russland ist auch eine Bedrohung für Sie. Und diese Bedrohung ist langsamer und heimtückischer, denn Russlands Krieg findet bereits in Ihren Köpfen statt.

Einen Teil dieses Textes schreibe ich aus dem Bombenkeller. Heute geht die Bedrohung von Marschflugkörpern aus, die von strategischen Tu-95-Bombern abgefeuert werden. Sie sind schnell und schwer, aber dank der westlichen Waffen unserer Partner können wir sie abschießen. Trotzdem verstecken wir uns um 5 Uhr morgens in der Tiefgarage unseres eigenen Hauses, denn schon die Trümmer einer Rakete können großen Schaden anrichten. Ballistische Raketen, Hyperschallraketen und iranische Kamikaze-Drohnen fliegen auch auf unsere friedlichen Städte zu. Und als ukrainische Zivilistin, die ein paar hundert Kilometer von der Frontlinie entfernt lebt, spüre ich nur einen kleinen Teil des Krieges. Aber er ist trotzdem da. Ich kann Bilder von ihm machen und sie Ihnen zeigen, ich kann ihn beschreiben.
Doch Desinformation ist viel schwieriger.

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Dieser Krieg betrifft uns alle

Von Baroness Kennedy of the Shaws KC

Die russische Invasion der Ukraine im Jahr 2022 war und ist ein völkerrechtswidriger Akt. Trotz der Behauptungen Russlands, das ukrainische Territorium sei ein historischer und integraler Bestandteil Russlands, bleibt die Ukraine ein souveräner Staat und die russische Invasion stellt ein aggressives Verbrechen dar.

Seit Beginn der Invasion hat der russische Staat zahlreiche Kriegsverbrechen und Gräueltaten begangen. Das russische Militär hat in einer anhaltenden Kampagne Zivilisten und andere nichtmilitärische Ziele angegriffen, von Schulen und Krankenhäusern bis hin zu lebenswichtiger Infrastruktur. Besonders erwähnenswert ist der Angriff auf den Kachowka-Staudamm, der am 6. Juni 2023 zerstört wurde und eine Überschwemmung auslöste, die zur völligen Verwüstung des betroffenen Gebiets führte. Darüber hinaus hätte der Beschuss des Kernkraftwerks Saporischschja und die daraus resultierende Störung des Betriebs zu einer nuklearen Katastrophe führen können, wenn er nicht unter Kontrolle gebracht worden wäre. Russland hat auch wiederholt und kontinuierlich chemische Waffen gegen die Ukraine eingesetzt und damit eindeutig gegen die Genfer Konvention verstoßen.
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Das Hoffen wird immer schwieriger

Von Olga Rudenko

An diesem Samstag, dem 24. Februar, werden Millionen von Menschen in Europa aufwachen und ihren üblichen Wochenendaktivitäten nachgehen. Sie werden mit Freunden brunchen, ihre Kinder zum Spielen fahren und einkaufen gehen.
Hier in der Ukraine werden Millionen von Menschen an diesem Samstagmorgen schweren Herzens aufstehen. An diesem Tag, dem 24. Februar, ist es zwei Jahre her, dass Russland eine umfassende Invasion in unser Land startete.
Ich bin oft gefragt worden, wie dieser erste Tag der Invasion war. Ich habe ihn in meiner Eröffnungsrede zum M100 Sanssouci Colloquium im September 2022 beschrieben. Ich erinnere mich noch an jede Einzelheit, Stunde für Stunde. Man vergisst nie, wie man zum ersten Mal einen Luftangriff hört.
Sind Sie noch bei mir? Wenn ja, danke ich Ihnen. Nach zwei Jahren erregen die Geschichten über das, was die Ukrainer durchmachen, nicht mehr die Aufmerksamkeit der Menschen wie früher. Es liegt in der Natur des Menschen, dass er abstumpft, wenn er wieder und wieder von Leid hört.

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In der Ukraine findet ein Genozid an der Bevölkerung statt

Von Kai Diekmann

Zwei Jahre dauert der brutale Krieg gegen die Ukraine nun schon an. 24 Monate mit vielen Tausend Toten, brutalen Vergewaltigungen, Folter, Zerstörung von Leben, Existenzen und Häusern, der Verschleppung tausender ukrainischer Kinder nach Russland. Zwei Jahre, in denen Familien ihre Söhne, Männer, Brüder, Freunde kaum gesehen haben, weil sie ohne Pause an der Front kämpfen. Zwei Jahre, in denen ich mir Sorgen um ukrainische Freunde mache und um Kolleginnen und Kollegen, die über den Krieg berichten.

Über 10.000 zivile Opfer hat dieser Genozid bis heute in der ukrainischen Bevölkerung gekostet, davon fast 600 Kinder. Über 19.000 Zivilisten sind verletzt worden, davon über 1.000 Kinder. Ich benutze bewusst das Wort Genozid, denn nichts anderes ist es, was der russische Diktator bezwecken will: die ukrainische Bevölkerung auszulöschen. Dafür ist ihm jedes Mittel recht.

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