Begrüßung Mike Schubert

Sehr geehrte Frau Shima Babaei,
Sehr geehrte Frau Ursula von der Leyen,
sehr geehrte Frau Düzen Tekkal,
sehr geehrte Frau Jasmin Tabatabei
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitglieder des M100 Beirats,

vor einem Jahr, am 15.09.2022, haben wir hier in diesem Haus das ukrainische Volk für seinen Kampf gegen den russischen Aggressor geehrt.

Wir haben unsere Solidarität bekundet mit dem aus Verzweiflung und Rückgrat geborenen Mut der Ukrainerinnen und Ukrainer im Kampf für Demokratie und Freiheit.

Wir haben uns mit ihnen solidarisiert für Freiheit und Menschenrechte.

In Ihrer Heimat,
in Europa und
auf der ganzen der Welt.

Das war am 15.09.2022.

Nur einen Tag später, am 16.09., starb eine junge Frau mit dem Namen Jina Mahsa Amini in iranischer Haft.

Verhaftet und ermordet von den Uniformierten der eigenen Regierung.

Weil sie sich, genau wie zahllose Ukrainerinnen und Ukrainer, denen entgegenstellte, die sie ihrer Freiheit berauben wollten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

In diesem Jahr vergeben wir den M100 Media Award zum 19. Mal.

Zum zweiten Mal nacheinander geht er an eine Einzelperson, die diese Auszeichnung stellvertretend für eine größere Sache entgegennimmt:

Für den Kampf gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner und für die Freiheit.
Doch es gibt eine ganz klare Unterscheidung zum Preisträger des Vorjahres:

Dieses Mal kommt die Aggression und Unterdrückung nicht aus einem anderen, einem fremden Land, sondern aus der eigenen Heimat:
aus dem Iran selbst.

Von der eigenen Regierung.

Von den eigenen Mitmenschen,
von einem verachtenswerten Regime und dessen Sittenpolizei.

Seit Jahren protestieren die iranischen Frauen gegen das Regime im eigenen Land.

Ein Protest, der im vergangenen Jahr mit der gewaltsamen und brutalen Reaktion der iranischen Regierung traurige Aufmerksamkeit erlangte.

Ein Protest, der auch in diesem Jahr unerschrocken und mutig für eine größere Sache weitergeht; bis am Ende hoffentlich die Einsicht gewinnt, dass Männer und Frauen auch, aber nicht nur, vor dem Gesetz gleich sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

wir ehren heute mit dem M100 Media Award die „Woman – Life – Freedom“-Bewegung im Iran, die sich trotz Gewaltdrohungen und drakonischen Strafen für Frauenrechte einsetzt, wie sie in der zivilisierten Welt eigentlich selbstverständlich sind.

Sehr geehrte Frau Shima Babaei,

ich freue mich sehr, Sie hier in Potsdam, in der Hauptstadt des Landes Brandenburg, zur 19. Verleihung des M100 Media Award begrüßen zu dürfen.

Ich freue mich auch über die Anwesenheit der Wissenschaftsministerin, Frau Dr. Manja Schüle, und meines neuen Kollegen Prof. Dr. Walid Hafezi, der in Teheran seine Kindheit verbrachte und nun in Potsdam lebt.

Wie passt der Kampf iranischer Frauen gegen die eigene Regierung zum beschaulichen Potsdam, werden Sie sich fragen.

Hier reicht ein kurzer Blick in unsere Geschichte:

Potsdam ist aus doppelter Sicht ein wahrhaft geeigneter Ort für die diesjährige Auszeichnung.

Denn einerseits berufen wir Potsdamerinnen und Potsdamer uns zu Recht auf eine lange Tradition der Toleranz und des Miteinanders und auf das Potsdamer Toleranzedikt.

Ja, Potsdam wäre nicht Potsdam ohne die vielen Geflüchteten und Vertriebenen, die die Stadt aufbauten und prägten.

Erst in der letzten Woche habe ich mich mit einer Architektin getroffen, die im vergangenen Jahr nicht nur ihre Heimat, den Iran, sondern auch ihre beiden Töchter und ihren Mann im Iran zurückgelassen hat, in der Hoffnung, hier, in Potsdam, sich ein neues Leben aufzubauen.

Sie hat mir erlaubt, ein wenig aus ihrer Geschichte zu erzählen.
Ich habe mit ihr vereinbart, ihren Namen nicht zu nennen, denn ihre Familie befindet sich noch im Iran und ich möchte in jedem Fall verhindern, dass diese für den Mut ihrer Mutter und Ehefrau bestraft werden.

Für sie ist Potsdam der Weg in eine andere, eine hoffnungsvolle Zukunft, auch wenn sie hier noch viele Hindernisse überwinden muss.

Dennoch hoffe ich, dass auch sie in nicht allzu ferner Zukunft unsere Stadt prägen und gestalten wird, den Menschen wie sie prägen diese wundervolle Seite Potsdams, auf die wir hier zurecht stolz sind.

Denn Potsdam, das ist und war auch immer eine Stadt der Hoffnung auf ein neues Leben.

Und doch haben wir auf der anderen Seite eine dunkle, ja eine traurige Vergangenheit.

Denn auch in Potsdam wurden
– lassen Sie uns das nicht vergessen –
in verschiedenen Epochen,
von verschiedenen Uniformierten,
junge Menschen weggesperrt, gefoltert und ermordet, weil sie sich nicht an die Ideologien anpassen wollten, die die Herrschenden vorgaben.

Auch in Potsdam gab es
– und das nicht nur einmal in der Geschichte –
Uniformierte, die mit brutaler Gewalt Unschuldige verfolgten, deportierten und ermordeten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich möchte hier keinen Exkurs zur deutschen Geschichte geben, aber doch möchte ich Ihnen gerne sagen:

Wir haben diese dunklen Kapitel, deren Zeugnisse sie z.B. in eindrucksvollen Gedenkstätten in der Leistikowstraße oder der Lindenstraße besichtigen können, am Ende überwunden.

Ich möchte Ihnen die Zuversicht mitgeben, dass auch sie ein dunkles Kapitel Ihrer Geschichte überwinden werden.

Eine besondere Ehre ist es mir daher, Sie, sehr geehrte Frau Shima Babaei, unter uns zu wissen.

Sie vereinen, wie viele andere Frauen aus dem Iran, den Mut, die Entschlossenheit und den Kampfeswille der iranischen Bewegung „Women – Life – Freedom“, der wir heute den M100 Media Award widmen.

Ihre persönliche Geschichte, stellvertretend für die vieler anderer iranischer Frauen, macht mich betroffen und ich wünsche Ihnen, dass Ihr Traum Realität wird und dass Sie ohne Angst um Ihr Leben oder das Ihres Vaters und vieler anderen Menschen in Ihrer Heimat Leben können.

Dass Sie arbeiten können, was Sie möchten.

Dass Sie anziehen dürfen, was Ihnen gefällt.

Dass Sie in der Öffentlichkeit sagen dürfen, was Sie zu sagen haben, ohne dafür bestraft zu werden.

Ich danke Ihnen, sehr geehrte Frau Shima Babaei,

dass Sie heute diesen Preis stellvertretend für die vielen Menschen in Ihrer Heimat entgegennehmen, die sich diesem Regime in den Weg stellen, für Reformen kämpfen und ich freue mich später auf Ihre Worte.

Mein Dank heute Abend gilt auch der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen.

Trotz Ihres vollen Kalenders, mit Ihrer Rede „State oft he European Union“ gestern vor dem europäischen Parlament in Straßbourg, heute Morgen in Kopenhagen und Ihrer morgigen Reise zur UNO nach New York, haben Sie zugesagt, um die Laudatio bei der Preisverleihung an die „Woman-Life-Freedom-Bewegung“ zu sprechen.

Ich danke Ihnen und es zeigt, wie wichtig Ihnen als Politikerin,
als Vertreterin der Europäischen Wertegemeinschaft und
als Mensch dieses Thema ist.

Es zeigt auch die Wertigkeit und Anerkennung, die das M100 Colloquium und der M100 Media Award über Potsdam hinaus genießen.

Am Vormittag haben 80 Journalistinnen und Journalisten aus verschiedenen Ländern über das Thema „Zwischen Ambitionen und Unordnung – Die Zukunft der Demokratie“ diskutiert.

Dies ist leider wieder ein sehr aktuelles Thema, das angesichts der Entwicklungen in einigen Ländern Europas und auch in Deutschland wohl zu den meistdiskutierten Themen derzeit gehört.

Sehr verehrte Damen und Herren,

der Wunsch nach mehr Demokratie im Iran ist älter als die seit Herbst 2022 im Fokus stehenden Proteste der Frauenbewegung.

Seit vielen Jahren gibt es Bewegungen und Bestrebungen von Frauen oder Glaubensgemeinschaften gegen das iranische Regime.

Gegen Unterdrückung, für Freiheit und Gleichstellung.

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir als internationale Gemeinschaft die Bemühungen der iranischen Frauenbewegung und aller Menschen im Iran, die sich für Demokratie einsetzen, unterstützen.

Indem wir diesen Frauen und Männern eine Plattform bieten, um ihre Anliegen zu äußern, können wir dazu beitragen, positive Veränderungen herbeizuführen und die Grundlage für eine inklusivere und demokratischere Gesellschaft im Iran zu schaffen.

Lassen Sie uns die heutige Preisverleihung als Inspiration nehmen, um uns weiterhin gemeinsam für die Förderung von Gleichberechtigung, Menschenrechten und Demokratie überall auf der Welt einzusetzen.

Die iranische Frauenbewegung zeigt uns, genau wie unsere eigene Potsdamer Geschichte, dass der Wille zur Überwindung von Hindernissen zu stark für erstarrte und verkrustete Regime ist,
dass es möglich ist, eine bessere Zukunft für alle zu gestalten.

Tragen Sie, verehrte Vertreterinnen und Vertreter der Medien, diesen Kampf weiter in die Öffentlichkeit, denn wir dürfen nicht müde werden, auf den Iran zu schauen.

Vielen Dank.