Begrüßung: Mike Schubert, Oberbürgermeister Landeshauptstadt Potsdam

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Sehr geehrter Wladimir Klitschko,
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Olaf Scholz,
sehr geehrte Präsidentin der Republik Kosovo, Frau Osmani-Sadriu,
sehr geehrte Frau Botschafterin Amy Gutmann,
sehr geehrter Ministerpräsident a.D. der Republik Polen, Herr Donald Tusk,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitglieder des M100 Beirats,

schon die Länge der persönlichen Begrüßungen der Honoratioren dieses Abends zeigt es – der M100 Media Award findet nicht nur in einer bewegenden Zeit statt, er ist ein etablierter und hoch anerkannter Medienpreis geworden.

Herzlich willkommen zur 18. Preisverleihung des M100 Media Award.

Ich freue mich sehr, Sie hier in Potsdam, in der Hauptstadt des Landes Brandenburg begrüßen zu dürfen – und ich freue mich über die Anwesenheit der Bildungsministerin Frau Britta Ernst und der Wissenschaftsministerin Frau Dr. Manja Schüle.

Es ist mir eine besondere Ehre, Sie, Wladimir Klitschko, unter uns zu wissen.

Sie vereinen – wie freilich Ihr Bruder Vitali, mein Bürgermeisterkollege aus Kiew, wie auch Präsident Wolodymyr Selenskyj und etliche weitere Repräsentanten der souveränen und um Souveränität kämpfenden Ukraine – all den Mut und all die Entschlossenheit des ukrainischen Volkes, dem wir heute den M100 Media Award widmen wollen.

„Wenn mein Kopf es sich ausdenken kann, wenn mein Herz daran glauben kann – dann kann ich es auch erreichen.“ Dieses Zitat stammt von einem früheren Schwergewichtschampion.

In dem Fall nicht von unserem Preisträger oder seinem Bruder, sondern von Muhammad Ali.

Er könnte aber auch von Wladimir oder Vitali Klitschko stammen und für den heldenhaften Kampf der Menschen in der Ukraine gegen den vermeintlich übermächtigen Aggressor stehen.

„Wenn mein Kopf es sich ausdenken kann, wenn mein Herz daran glauben kann – dann kann ich es auch erreichen.“

Wir alle sehen täglich, wie das ukrainische Volk mit Kopf und Herz für seine Freiheit gegen den Aggressor Russland kämpft.

Das ukrainische Volk verteidigt sein Land, weil es von Russland angegriffen wurde – dies dürfen wir bei allen Debatten über den Konflikt in Deutschland niemals vergessen. Unsere Unterstützung gilt den Verteidigern.

Ich danke Ihnen, lieber Wladimir Klitschko, dass Sie den Preis entgegennehmen und freue mich später auf Ihre Worte.

Sie stehen für mich stellvertretend für die vielen Menschen in der Ukraine die ohne Mandat oder militärische Vorkenntnisse einfach mit Herz und Verstand für die Freiheit in Ihrem Land kämpfen.

Ebenso begrüße ich als eine der beiden späteren Laudatorinnen, Sie, Exzellenz, sehr geehrte Frau Botschafterin Gutmann.

Es ist uns eine große Ehre, dass Sie einen Ihrer ersten Termine hier in Potsdam absolvieren. Hier fand 1945 eine Zeitenwende der europäischen Geschichte statt.

„Wir stehen heute wieder an einer Zeitenwende“, das haben Sie mit Blick auf den Krieg in der Ukraine in einer Ihrer ersten Reden, in der Freien Universität unweit in Berlin gesagt.

Ich komme nicht umhin zu sagen, dass ich ganz persönlich froh bin, dass wir in dieser Zeitenwende eine US-Administration an der Seite Europas wissen, die ein stabiler Partner in der freiheitlichen Welt ist.

Sehr geehrte Damen und Herren,
Der Künstler Hannes Forster hat 2017 in der deutsch polnischen Grenzstadt Frankfurt an der Oder – Slubice – ein Kriegedenkmal in Form einer Säule geschaffen, die aus 400 Ziegelsteinen besteht.

Die 400 Ziegelsteine stehen für 400 Jahre in Europa, und jeder Stein erhielt eine Jahreszahl für das Jahr, in dem Krieg herrschte.

Die Säule enthält bis 1945 nur sehr wenige Steine ohne Gravuren. Krieg als Normalzustand.

Und doch war Krieg nie die Norm.

Von dem großen europäischen Friedenskonzept nach 1945 haben vor allem die Nachbarn Deutschland und Polen profitiert, die seit 77 Jahren, seit dem Ende des 2. Weltkrieges die längste gemeinsame Friedensepoche erleben.

Dies macht Hoffnung, dass es nach jedem Krieg die Chance auf Versöhnung und ein friedliches Miteinander geben kann.

Ich freue mich deshalb sehr, den früheren Ministerpräsidenten der Republik Polen und glühenden Europäer, Herrn Donald Tusk, heute hier begrüßen zu dürfen und freue mich über Ihre Laudatio.

Der Krieg in der Ukraine hat auch zu neuen Spannung in anderen Regionen Europas geführt.

In Südosteuropa ist die Konfrontation wieder deutlicher, die vor mehr als 20 Jahren zum ersten bewaffneten Konflikt nach dem Ende des Kalten Krieges geführt hat und der Europa schwer erschütterte.

Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin Osmani-Sadriu, dass Sie mit Ihrer heutigen Teilnahme deutlich machen, dass gerade Sie, die Sie und Ihr Volk selbst die Gräuel eines Krieges im eigenen Land erlebt haben, an der Seite des Ukrainischen Volkes stehen.

Ich war vor genau 20 Jahren als Soldat mit der KFOR-Schutztruppe in Ihrem Land stationiert und habe während der Mission das Leid und die Zerstörung gesehen, welches der Krieg über den Kosovo gebracht hat.

Für mich sind die Bilder aus Prizren und Pristina wieder präsent, wenn ich in den letzten Monaten die Aufnahmen aus Kiew, Charkiw oder anderen Städten der Ukraine sehe.

Ich wünsche Ihrem Land aus meiner bis heute andauernden tiefen persönlichen Verbundenheit alles Gute für die Zukunft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
vor einem Jahr, beim letzten M100 Colloquium, erhielten wir die Nachricht, dass Deutschland wohl zukünftig von einer Ampelkoalition regiert werden würde.

Und wir erhielten diese Nachricht just aus erster Hand, denn am Tag der Entscheidung zum Eintritt in die Koalitionsverhandlungen, sprach hier der heutige Finanzminister Christian Lindner zu uns.

Umso mehr freut es mich, dass wir heute Sie, Herr Bundeskanzler, bei uns begrüßen dürfen.

Es zeigt die hohe Wertigkeit und Anerkennung, die das M100 Colloquium und der M100 Media Award genießen, dass nicht nur innerhalb einer Jahresfrist nunmehr schon der zweite Repräsentant der aktuellen Bundesregierung zu uns spricht, sondern nach Angela Merkel auch schon zum zweiten Mal ein deutscher Regierungschef bzw. eine Regierungschefin.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, Sie haben mit Ihren klaren Worten in der Rede am 27. Februar im Deutschen Bundestag nicht nur eine Zeitenwende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik vollzogen, sondern deutlich gemacht, dass Deutschland an der Seite des ukrainischen Volkes bei der Verteidigung seiner Souveränität steht.

Wir freuen uns auf später auf Ihre Hauptrede.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Erlauben Sie mir als Oberbürgermeister aber eine kurze Betrachtung des Krieges in der Ukraine aus der Sichtweise eines Stadtpolitikers, dessen Aufgaben sonst eher weniger mit der Einordnung von Krieg und Frieden zu tun hat.

Der Kampf, den die Menschen in der Ukraine führen – er ist vor allem auch ein Kampf für ihre Lebensweise, die der in unseren Städten gleich ist:

Sie wollen zur Arbeit gehen, die Kinder zur Schule zu bringen, die betagten Eltern versorgen, sich mit Freunden treffen, im Café sitzen, ins Theater gehen.

All das tun, was ein normales Leben ausmacht.

Das alles ist seit dem 24.02.2022 nicht mehr möglich.

Denn es ist Krieg und sie müssen in vielen Städten auf der Hut sein.

Müssen in Luftschutzkeller, haben ihr Land verlassen oder dienen ihrem Land, in dem sie es gegen den Angreifer verteidigen.

Und nicht nur das.

Es gibt Städte wie Mariupol, in denen Wohnhäuser, Schulen, Betriebe, Theater durch russische Angriffe zerstört wurden und in denen Normalität auf lange Zeit nicht mehr möglich sein wird. Die Menschen in der Ukraine – sie verteidigen zuvorderst ihr Zuhause, ihre Heimat.

Als Mitglied der Bürgermeister für den Frieden, der internationalen Aktion Mayors for Peace, in der ich unsere Stadt vertreten darf, fordere ich ebenso wie meine Amtskolleginnen und Kollegen in vielen Städten weltweit den Stopp des russischen Angriffs.

Als Oberbürgermeister ist mir auch aus Gesprächen mit ukrainischen Bürgermeistern, wie dem im Frühjahr von den Russen verschleppten Iwan Federow, Bürgermeister von Melitopol bewusst, welch großer Druck in dieser schrecklichen Kriegssituation auf meinen Bürgermeisterkolleginnen und -kollegen in der Ukraine lastet.

Ich durfte Iwan Federow nach seiner Freilassung im Sommer auf einer Veranstaltung des Deutschen Städtetages in Berlin kennenlernen.

Es ist bewundernswert und nötigt mir den tiefsten Respekt ab, wie Bürgermeister in der Ukraine seit Monaten den Zivilschutz organisieren, die öffentliche Infrastruktur aufrechterhalten und vor allem – Zuversicht ausstrahlen.

So wie der Bruder unseres heutigen Preisträgers, und Preisträger des Jahres 2014, Vitali Klitschko, der sicher gerne heute hier mit dabei gewesen wäre, der aber in der jetzigen Situation, in der es im Krieg scheinbar eine Wendung gibt, vor Ort in Kiew, in der Stadt deren Bürgermeister er ist, blieb, weil er dort gebraucht wird.

Erlauben Sie mir aus seiner Danksagung von vor 8 Jahren zu zitieren:

„Wir Ukrainer bedanken uns für die Unterstützung und Solidarität aus dem Westen.

Aber wir denken, dass die Unterstützung noch nicht reicht.
Wir können den Kampf für die Freiheit nicht allein gewinnen.

Wir können nur erfolgreich sein, wenn Europas Politiker noch viel deutlicher klarmachen, dass sie das aggressive Verhalten Russlands nicht akzeptieren.“

Zitat Ende.

Meine Damen und Herren,
dieses Zitat stammt aus dem Jahr 2014. Man kommt nicht umhin, sich zu fragen, was wohl geschehen wäre, wenn wir im Westen bei dieser eindringlichen Warnung genauer hingehört hätten und noch mehr, was geschehen wäre, wenn wir der Forderung nach konsequenter Unterstützung damals nachgekommen wären.

Eines dürfen wir nicht vergessen: Die Menschen in der Ukraine verteidigen sich, denn ihre Lebensweise wird derzeit von der Lebensordnung bestimmt, die ihnen der russische Präsident mit seinem Angriffskrieg aufgezwungen hat.

Aufgezwungen wird dieser Krieg vom russischen Präsidenten auch dem Rest von Europa, all denjenigen, die an der Seite der Ukraine stehen.

Sehr geehrte Damen und Herren,
auch wir in den deutschen Städten sehen uns, freilich unter völlig anderen Bedingungen, die mit denen der Menschen in der Ukraine nicht im Ansatz vergleichbar sind, der Herausforderung ausgesetzt, dass unsere Lebensweise durch den Krieg in der Ukraine neu austariert wird.

Zweifelsohne in anderer Form – denn das Leid und die Entbehrungen der Menschen sind nicht vergleichbar. Und doch müssen wir sehen, dass auch der Wirtschaftskrieg, mit Gaslieferungen als Waffe, Teil des kalkulierten Handelns des russischen Präsidenten ist.

Er will auch unsere Lebensweise beeinflussen.

Und dies bleibt nicht ohne Wirkung.

Wir sehen, dass die Veränderung von Normalität in unseren Städten ankommt. Dass Menschen die Auswirkungen auf ihr Leben unmittelbar spüren.

Das Gegensteuern gegen soziale Verwerfungen wie auch das Abfedern sozialer Abstiege bindet Ressourcen, die eigentlich dem politischen Gestalten vorbehalten sein sollten; auch als Oberbürgermeister muss ich mich täglich mit Problemen der Verknappung und Verteuerung auseinander setzen und zum Teil schmerzliche Konsequenzen ziehen.

Dies führt auch bei den Menschen in unseren Städten zu Ängsten.
Ängste der Menschen, auf die Russland setzt, um zu versuchen, die Solidarität Europas mit der Ukraine auszuhöhlen.

Wir dürfen nicht vergessen: Verknappung und Verteuerung von Energie und enorm steigende Preise werden als Ausnahmezustände empfunden und sie verändern das, was bisher als Normalität auch für die Menschen in Deutschland als gesetzt galt.

Und der Verlust von normal und selbstverständlich Geglaubtem sorgt für Angst.

Wer die Sorgen und Nöte der Menschen auf die Frage reduziert: „Bist Du für oder gegen die Ukraine?“, handelt aus meiner Sicht verantwortungslos.

In diesem Zusammenhang kommt auch in unserem Land den Medien eine außerordentliche Bedeutung zu, wenn es darum geht, Lebensordnung und Lebensweisen diskursiv auszuhandeln.

Es ist ein Wesen unserer freien Gesellschaft, dass wir uns dem Diskurs stellen und diejenigen, die aus ernster Sorge, dass sie Ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können, und deshalb ihre Nöte artikulieren, auch mit Respekt begegnen.

Es ist aus meiner Sicht falsch und gefährlich, wenn sich manche Aussagen und Erklärungen in Politik und Medien darauf erschöpfen, mit Unverständnis auf diese Nöte zu reagieren und stattdessen versuchen, Verzicht und Einschränkung als Beitrag für die Freiheit und zur Beendigung des Krieges zu postulieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Sorgen und Nöten im Inland ernst zu nehmen und sie beherzt zu mildern, ist ebenfalls ein Beitrag für den Kampf der Ukraine.

Je konsequenter wir in Deutschland hohe Energiepreise und die Inflation abmildern und je fairer wir im Diskurs miteinander umgehen, umso mehr geben wir Russland eine deutliche Antwort, dass wir uns gegen den Wirtschaftskrieg, der die Bürgerinnen und Bürger verunsichern soll, genauso entschlossen und geschlossen wehren, wie wir das ukrainische Volk in seinem Kampf für die Freiheit unterstützen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass beides dieselbe Ursache hat – auch wenn das Leid und der Verlust des ukrainischen Volkes unvorstellbar schmerzlich und ungleich höher ist.

Meine verehrten Damen und Herren,
Man kommt in Potsdam, zumal hier in Sanssouci, nicht umhin, ein historisches Zitat aus der Zeit Friedrich des Großen zu nutzen.

Von 1750 bis 1753 lebte Voltaire, der einflussreichste Autor der europäischen Aufklärung, hier am preußischen Hofe. Von ihm stammt die Aussage:

„Der Offensivkrieg ist der Krieg eines Tyrannen; wer sich jedoch verteidigt, ist im Recht.“

Mit der Widmung des M100 Media Award für die Ukrainerinnen und Ukrainer richten wir erneut den Fokus auf die Verteidiger. Denn das ist ihr gutes Recht.

Tragen Sie, verehrte Vertreterinnen und Vertreter der Medien, diesen Kampf weiter in die Öffentlichkeit, damit keiner von uns müde wird, auf die Ukraine zu schauen.

Denn dort entscheidet sich derzeit im besonderen Maße die europäische Lebensordnung als Grundvoraussetzung unser aller freiheitlich-demokratischer Lebensweise.

Vielen Dank.