22. April 2022. „Sollten staatlich finanzierte Medien verboten werden?“ war das Thema einer Debatte, die am 20. April auf der ELF Idea Accelerator Konferenz „Media Freedom in the Age of Tech Disruption“ in Brüssel stattfand. Auf dem Podium, das sie sich mit Yana Toom (Mitglied des Europäischen Parlaments, Renew Europe) teilte, argumentierte M100-Beiratsmitglied Prof. Dr. Alexandra Borchardt (links) für starke öffentlich-rechtliche Medien. Sie betonte die Notwendigkeit, Medien unabhängig von kommerziellen Einnahmen durch öffentliche Gelder wie Steuern oder Abgaben zu finanzieren, um allen Menschen den Zugang zu verlässlichen Informationen zu gewährleisten. Es sei nachgewiesen, dass unabhängige öffentlich-rechtliche Medien, die sich um Unparteilichkeit bemühen, die Demokratie stärken. Sie seien die beste Medizin gegen Polarisierung und erzielten sehr hohe Vertrauenswerte, wenn die Menschen den Journalismus als unabhängig wahrnähmen.
In ihrem Impuls stellte Borchardt klar, dass es einen großen Unterschied zwischen staatlichen und öffentlich-rechtlichen Medien gibt. Staatliche Medien würden eher mit nicht-demokratischen Regierungssystemen in Verbindung gebracht, die Leitungsposten in Redaktionen und Inhalte kontrollierten. „Öffentlich-rechtliche Medien müssen von der Öffentlichkeit kontrolliert werden“, sagte sie.
„Stellen Sie sich vor, wir hätten nur private Medien. Denken Sie an die sozialen Medien. Womöglich fällt Ihnen Elon Musk ein, der Twitter kaufen will. Er könnte den Kanal jederzeit abschalten, wenn ihm nicht gefällt, was er sieht. Oder Mark Zuckerberg, der beschließen könnte, dass es auf Facebook keinen Platz mehr für Nachrichten gibt. Es wäre mehr als eine unangenehme Vorstellung, wenn unser digitaler öffentlicher Raum vollständig von großen privaten Monopolen kontrolliert werden würde“, so Borchardt.
Die öffentlich-rechtlichen Medien seien in der Lage, Dinge zu leisten, für die private Medien immer weniger Platz hätten, betonte sie. Sie hätten den Auftrag und die Kapazität, dort hinzugehen, wo kommerzieller Erfolg unwahrscheinlich sei, zum Beispiel bei der Überprüfung von Fakten, bei bestimmten Arten von politischem Journalismus oder in wenig attraktiven Regionen. Öffentlich-rechtliche Medien müssten sich um Unparteilichkeit bemühen und die Gesellschaft so widerspiegeln, wie sie sei, in all ihrer Vielfalt. Borchardt betonte, dass die Rahmenbedingungen äußerst wichtig seien. Öffentlich-rechtliche Medien müssten auch öffentlich kontrolliert werden, um die Unabhängigkeit ihres Journalismus zu gewährleisten. Außerdem müssten sie über ihre Leistungen und ihren Erfolg Rechenschaft ablegen, schließlich würden sie öffentliche Gelder ausgeben. „Staatlich finanzierte Medien müssen ihre Existenz legitimieren“, sagte sie. „Sie müssen Formate entwickeln, die ein vielfältiges Publikum ansprechen, insbesondere junge Zielgruppen und solche, die von anderen Medien vernachlässigt würden.“ Der Einsatz staatlicher Mittel erfordere eine besondere Verantwortung für Fairness, Gleichberechtigung, Vielfalt und Nutzerfreundlichkeit, So Borchardt.
Prof. Dr. Alexandra Borchardt ist Lead-Autorin des EBU News Report 2021 – 22 „What’s Next? Public Service Journalism in the Age of Distraction, Opinion, and Information Abundance„