Dankesrede Norman Foster

Dieses Kolloquium mit seinem globalen Thema; Potsdam mit seiner besonderen Architektur und der schönen Landschaft; der Preis mit seinem Bezug zur Lebensqualität und seinem Identitätssinn – dies bringt für mich drei Welten zusammen: die Welt Europas, die Welt der Printmedien und die Welt des Designs. […]
In fünf Jahren werden wir einen wichtigen Wendepunkt erreicht haben: Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit werden auf globaler Ebene mehr Menschen in Städten leben als auf dem Land. […]
Die Sache hat zwei Seiten: Die erste bezieht sich auf das Gebäude „Reichstag“ selber, die zweite auf seine bedeutende Rolle als Teil der Regierungsstruktur in Berlin. Der Reichstag demonstriert als eine Art Mini-Manifest, dass ein Gebäude im positiven Sinne autark sein kann. Es produziert durch ein eigenes kleines Kraftwerk genug Energie, um auch dass Regierungsgebiet um es herum mit Energie zu versorgen. Ursprünglich gab der Reichstag 4.000 Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre ab. Durch die Umgestaltung (…) ist er jetzt ein Paradebeispiel für den Einsatz erneuerbarer Energien. Dies zeigt, dass eine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen keineswegs unausweichlich ist, weder die Abhängigkeit von Öl, Kohle oder Gas. Ein Gebäude kann sauber und umweltfreundlich sein. Der Reichstag produziert heute nur 440 Tonnen Kohlendioxid – eine Reduktion um 94 Prozent.
[…] Um zu verstehen wie wir in Städten leben, muss man erst die Infrastruktur einer Stadt begreifen. (…) das Transportsystem, öffentliche Plätze, Parks, Landschaften und Brücken (…). Daraus zusammen ist (…) eine Art der Stadtbefestigung, gewachsen, um das Leben zu schützen und seine Qualität zu verbessern. Daraus folgt, dass eine schlecht ausgebaute Infrastruktur entweder die Lebensqualität verschlechtert oder zu Umweltproblemen führt, sogar zu Katastrophen. Blicken wir zu dem, was letzte Woche in New Orleans geschah. […] Der Boston Globe fragte in seinem Titelthema „Was ist der wahre Name des Hurrikans ‚Katrina’?“, und beantwortete dies mit „Hurrikan Erderwärmung“. Die Herald Tribune und das Time Magazin richteten ihr Augenmerk auf das Versagen der Infrastruktur, dass das Ausmaß der Katastrophe so sehr verschlimmerte: das Brechen der Deiche, (…) die doch über drei Jahrhunderte hinweg hätten ausgebaut werden sollen (…), doch stattdessen vernachlässigt wurden.
[…] Lassen sie mich zurückkehren zum heutigen Städtewachstum und unserer Abhängigkeit vom Auto. Es ist bezeichnend, dass die USA als Nicht-Unterzeichner des Kyoto-Protokolls in diesem Kolloquium als „Benzinverschwender“ benannt wurden. Dies ist nicht nur eine Bemerkung, sondern eine Tatsache. […] Was passiert, wenn man dieses Schema auf eine entstehende Supermacht überträgt? Sehen wir nach China, dem heute stärksten Wachstumsmarkt für Autos. […] Wenn sich jede Familie dort zwei Autos leisten könnte, wären dies über 600 Millionen Autos – das sind mehr Fahrzeuge als es derzeit auf der Welt gibt. Und dies ist durchaus im Rahmen der Möglichkeiten. […] Es hat in China nur 80 Jahre gedauert, um einen Grad der Industrialisierung zu erreichen, den Europa nach 300 Jahren erlangte. Urbanisierung und wirtschaftliche Entwicklung haben sich hier also mehr als viermal so schnell vollzogen, was mich wieder zum Ausgangspunkt zurückbringt. Als Zeugen dieser rasanten Entwicklung stellt sich uns die Frage, wie wir Europäer nach dem Kyoto-Protokoll und ähnlichen politischen Initiativen weiter Einfluss ausüben können. […] Europa hat aus seiner Städteplanung gelernt und dieses Wissen sollte weitergegeben werden. […]
Meine Damen und Herren, es ist eine große Ehre für mich, diesen Preis zu erhalten. Er zeigt die Bedeutung, die Design und Lebensqualität heute für die Umwelt haben. Es ist ein Grund zum Feiern für alle Menschen, die in diesem Bereich arbeiten. Ich nehme ihn stellvertretend an für alle, mit denen ich zusammenarbeite, für alle von mir geschätzten Kollegen. Vielen Dank.