Das Hoffen wird immer schwieriger

Von Olga Rudenko

An diesem Samstag, dem 24. Februar, werden Millionen von Menschen in Europa aufwachen und ihren üblichen Wochenendaktivitäten nachgehen. Sie werden mit Freunden brunchen, ihre Kinder zum Spielen fahren und einkaufen gehen.
Hier in der Ukraine werden Millionen von Menschen an diesem Samstagmorgen schweren Herzens aufstehen. An diesem Tag, dem 24. Februar, ist es zwei Jahre her, dass Russland eine umfassende Invasion in unser Land startete.
Ich bin oft gefragt worden, wie dieser erste Tag der Invasion war. Ich habe ihn in meiner Eröffnungsrede zum M100 Sanssouci Colloquium im September 2022 beschrieben. Ich erinnere mich noch an jede Einzelheit, Stunde für Stunde. Man vergisst nie, wie man zum ersten Mal einen Luftangriff hört.
Sind Sie noch bei mir? Wenn ja, danke ich Ihnen. Nach zwei Jahren erregen die Geschichten über das, was die Ukrainer durchmachen, nicht mehr die Aufmerksamkeit der Menschen wie früher. Es liegt in der Natur des Menschen, dass er abstumpft, wenn er wieder und wieder von Leid hört.

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In der Ukraine findet ein Genozid an der Bevölkerung statt

Von Kai Diekmann

Zwei Jahre dauert der brutale Krieg gegen die Ukraine nun schon an. 24 Monate mit vielen Tausend Toten, brutalen Vergewaltigungen, Folter, Zerstörung von Leben, Existenzen und Häusern, der Verschleppung tausender ukrainischer Kinder nach Russland. Zwei Jahre, in denen Familien ihre Söhne, Männer, Brüder, Freunde kaum gesehen haben, weil sie ohne Pause an der Front kämpfen. Zwei Jahre, in denen ich mir Sorgen um ukrainische Freunde mache und um Kolleginnen und Kollegen, die über den Krieg berichten.

Über 10.000 zivile Opfer hat dieser Genozid bis heute in der ukrainischen Bevölkerung gekostet, davon fast 600 Kinder. Über 19.000 Zivilisten sind verletzt worden, davon über 1.000 Kinder. Ich benutze bewusst das Wort Genozid, denn nichts anderes ist es, was der russische Diktator bezwecken will: die ukrainische Bevölkerung auszulöschen. Dafür ist ihm jedes Mittel recht.

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Die Ukraine wird niemals ein Teil Russlands werden

Von Olesia Tytarenko

Einmal in der Woche habe ich Spanischunterricht. Meine Lehrerin ist Muttersprachlerin, lebt in einem spanischsprachigen Land, „konsumiert“ lokale Nachrichten und weiß viel über Geopolitik und internationale Beziehungen. Jeden Sonntag beginnen wir den Unterricht mit einer Diskussion über die Situation in der Ukraine, die politischen Unruhen in Lateinamerika und die globalen Kämpfe der Supermächte. Eines Tages, nachdem sie mich gefragt hatte, wie es läuft und ich geantwortet hatte: „Wie immer. Wir halten uns wacker“, entwaffnete sie mich mit der Frage: „Wenn die Ukraine verliert, werden Sie dann Teil Russlands?“

Als Journalistin verstehe ich, dass eine solche Frage berechtigt ist. Gleichzeitig erinnere ich mich daran, dass meine Lehrerin vor einem Jahr, als wir uns das erste Mal trafen, absolut vom Sieg und der Rechtschaffenheit der Ukraine überzeugt war. Sollte ich das Gespräch abbrechen? Aufhören zu kommunizieren? Mir einen neuen Lehrer suchen? Die Sprache auf eigene Faust lernen? Im Februar 2024, zwei Jahre nach Ausbruch des Krieges, stellt sich die Ukraine ähnliche Fragen, auf die es sicher keine eindeutigen Antworten gibt. Nur an einem gibt es keinen Zweifel: Die Ukraine wird niemals ein Teil Russlands werden. Nicht zuletzt, weil sie es nie war.

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Es scheint, als stünden die Welt und die Ukrainer am Rande des Chaos

Von Olga Konsevych

Seit April 2022 arbeite ich von Deutschland aus, und obwohl ich in Sicherheit bin, hat sich mein Leben oft verändert. Aber wann immer ich mit Schwierigkeiten konfrontiert werde, denke ich an meine Kollegen, die sofort nach dem Ende des Luftalarms an den Ort des Geschehens eilen oder Veteranen und Militärangehörige dabei unterstützen, Geld für ihre grundlegendsten Bedürfnisse zu sammeln. Die Einsicht, dass es wichtig ist, das Leid nicht zu vergleichen und die eigenen Gefühle nicht abzuwerten, macht diese Wahrnehmung nicht einfacher.

Kürzlich veröffentlichte „Reporter ohne Grenzen“ eine aktualisierte Statistik, nach der mehr als 100 Journalisten während des Krieges in der Ukraine verletzt wurden. Russland geht aktiv gegen Journalisten vor, die sich weigern zu kooperieren, und das Schicksal der Kollegen in den besetzten Gebieten bleibt ungewiss.

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Der Westen hat Frieden, weil die Ukrainer kämpfen

Von Anna Romandash

Am 24. Februar 2024 sind es zwei Jahre seit der umfassenden russischen Invasion. Doch der russische Krieg begann schon viel früher – im Winter 2014, als Russland die Krim annektierte und seine „grünen Männer“ auf die Halbinsel und in die östlichen Teile der Ukraine schickte. Damals leugnete Russland, in der Donbass-Region involviert zu sein. Seine Desinformationskampagne funktionierte – die halbe Welt glaubte an die lächerliche Idee eines Bürgerkriegs in der Ukraine und daran, dass Russland nur seine Bürger in unserem Land schützen wollte. Die Demokratien schauten weg, während die Ukraine weitgehend sich selbst überlassen wurde – und sich aus eigener Kraft gegen die russische Invasion wehren musste.

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Es geht um eine europäische Zukunft in Frieden

Von Prof. Dr. Wolfgang Ischinger

Es ist jetzt fast genau zwei Jahre her, seit Russlands Präsident Wladimir Putin den militärischen Großangriff gegen die Ukraine startete.
Drei Feststellungen lassen sich jetzt schon treffen:
1. Putin hat nicht nur sein ursprüngliches Kriegsziel, die handstreichartige Unterwerfung der Ukraine und die Beseitigung der gewählten ukrainischen Führung, nicht erreicht. Im Gegenteil: Die Ukraine hat durch die russischen Interventionen seit 2014 ihre eigene nationale Identität ganz wesentlich stärken können und sucht seither entschlossen den Weg nach Westen, in die EU und hin zur Nato.

Putin hat überdies entgegen russischen Zielsetzungen erreicht, dass traditionsreiche neutrale europäische Staaten wie Schweden und Finnland sich der Nato angeschlossen haben und dass überall im Westen seit Jahren die Verteidigungsbudgets steigen. Also 1:0 für die Ukraine und den Westen?

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Europas Zukunft entscheidet sich in der Ukraine

Von Vitali und Wladimir Klitschko

Vor zwei Jahren, am frühen Morgen des 24. Februar 2022, haben russische Truppen die Ukraine überfallen. Seitdem hat sich unser aller Leben dramatisch verändert. Tausende Ukrainerinnen und Ukrainer wurden getötet, verletzt, geschändet, Kinder nach Russland verschleppt.
Tag und Nacht gibt es Bombenalarm, an vielen Stellen ist das Land verwüstet. Aber wir halten dem stand. Wir kämpfen. Nicht nur für uns, für unser Volk, unsere Identität, für unser Land, sondern auch für ein freies, demokratisches Europa. Wir verteidigen auch unsere westlichen Nachbarn, die auch auf der Liste von Putins Einverleibungsträumen stehen. Denn wenn die Ukraine fällt, wird Putin nicht mit seinem barbarischen Eroberungskrieg aufhören.

Ganz offen beschwört er eine umfassende soziale und wirtschaftliche Mobilisierung Russlands herauf und droht mit Angriffen auf osteuropäische Länder. Viele Jahre lang haben wir immer wieder vor einem massiven Angriff Putins auf die Ukraine gewarnt, aber das wollte niemand hören. Stattdessen wurden weiter Geschäfte mit dem russischen Diktator gemacht, die ihm seine Waffen und seine Armee finanziert haben.

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Wir trauern um Alexei Nawalny

16. Februar 2024. Wir sind tief bestürzt über die Nachricht, dass Alexej Nawalny nach 1.126 Tagen in Lagerhaft gestorben ist.
Der 47-jährige russische Oppositionspolitiker wurde von seinen Peinigern zu Tode gefoltert.
2021 wurde er in Potsdam mit dem M100 Media Award geehrt, sein Weggefährte und enger Freund Leonid Volkov hat den Preis damals entgegengenommen. Unsere Gedanken sind bei Alexei Nawalnys Familie und seinen Freunden.

Paul Timmers: „Souveränität im digitalen Zeitalter“

14. Februar 2024. Prof. Dr. Paul Timmers, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Oxford Internet Institutes und Teilnehmer des M100SC 2022, hat einen Essay zum Thema „Souveränität im digitalen Zeitalter“ verfasst. Der englischsprachige Text ist erschienen in dem Buch „Introduction to Digital Humanism„, das man sich hier frei herunterladen kann.
Das Buch erörtert den Begriff des digitalen Humanismus in Kontexten wie KI, Plattformmacht, Überwachung, Demokratie und Technologieethik. In seinem Kapitel beschäftigt sich Paul Timmers mit der Zukunft der Souveränität in einem digitalen und geopolitisch umkämpften Zeitalter, in dem das Konzept der staatlichen Souveränität durch digitale Umwälzungen und grenzenlose Technologien, die Dominanz mächtiger – oft ausländischer – globaler Technologieunternehmen und die Cyber-Infiltration durch böswillige Staaten eine neue und viel diskutierte Bedeutung bekommt. Timmers stellt Überlegungen zu den Auswirkungen der digitalen Technologie auf das internationale Staatensystem an und bietet eine Analyse sowie einige praktische Anleitungen zur Bewältigung der Herausforderungen bei der Entwicklung einer öffentlichen Politik der Souveränität im digitalen und digital-humanistischen Zeitalter. Abschließend laden zwei Fallstudien und eine Reihe von Fragen die Leser ein, das Thema weiter zu vertiefen.

Christopher Walker: „Für autoritäre Regime ist die Welt flacher geworden“

7. Februar 2024. „Mit dem Aufstieg Chinas zur Weltmacht hat das Land seine Beziehungen zu Ländern in aller Welt vertieft“, schreibt Christopher Walker in seinem kürzlich erschienen Essay „The World has become flatter for authoritarian Regimes“ im Journal of Democracy. Walker ist Vizepräsident für Studien und Analysen des National Endowment for Democracy (NED) und nimmt regelmäßig am M100 Sanssouci Colloquium teil.
Viele der Gesellschaften, mit denen Peking und seine Vertreter in Kontakt treten, hätten jedoch nur ein oberflächliches Verständnis davon, wie die größte Diktatur der Welt funktioniert, schreibt Walker: „Die große Wissenslücke über den chinesischen Parteistaat in weiten Teilen der Welt stellt eine entscheidende Asymmetrie dar, die der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) einen strategischen Vorteil verschafft.“
Ein Beispiel sei Georgien, das mit China eine „strategische Partnerschaft“ in den Bereichen Politik, Wirtschaft, zwischenmenschliche Beziehungen, Medien und Kultur anstrebe. Das sei gefährlich, denn in Georgien mangele es an unvoreingenommenem Wissen über China in Wissenschaft, Medien und Politik, und das georgische System sei, „wie so viele andere auch, nicht in der Lage, die vollen Konsequenzen eines solchen umfassenden Engagements mit dem chinesischen Parteistaat zu tragen.“
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